Schutz - natürlicher Rückhalt
Hochwasser ist ein natürliches Ereignis, das in den Einzugsgebieten der Bäche und Flüsse entsteht. Was bei starken Regenfällen nicht in Geländemulden oder im Boden gespeichert werden kann oder verdunstet, fließt ober- oder unterirdisch ins nächste Gewässer. Ein integraler Hochwasserschutz setzt daher mit Maßnahmen zur Verbesserung des natürlichen Rückhalts bereits im Einzugsgebiet an. Man unterscheidet zwischen Maßnahmen zum Rückhalt in der Fläche (in Siedlungsgebieten, landwirtschaftliche und waldbauliche Maßnahmen) sowie Maßnahmen an Gewässern und deren Auen. Dezentrale Rückhaltebecken sind ebenfalls wichtige Bestandteile integraler Konzepte zum Hochwasserschutz, zählen definitionsgemäß aber nicht zum natürlichen Rückhalt.
Maßnahmen des natürlichen Rückhalts sind auch ein wichtiger Baustein zur Vorsorge gegen Trockenheit und Dürre (z.B. Förderung der Grundwasserneubildung) und damit eine wichtige Maßnahme zur Klimaanpassung. Technische Maßnahmen zum Hochwasserschutz können sie in der Regel aber nicht ersetzen. Trotzdem sind die Maßnahmen des natürlichen Rückhalts aufgrund der vielfältigen Synergien und der positiven Wirkung auf die Umwelt sinnvoll und wichtig. Sie werden daher mit technischen Hochwasserschutzmaßnahmen kombiniert.
Die Umsetzung von Maßnahmen des natürlichen Rückhalts obliegt den verschiedensten Akteuren. In Siedlungsgebieten kann jeder Einzelne auf seinem Grundstück z. B. Gründächer anlegen. Auf öffentlichen Flächen können die Kommunen z. B. Parkplätze entsiegeln, Gräben reaktivieren oder Versickerungsmulden schaffen. Auf dem Land können die Ämter für ländliche Entwicklung mit Maßnahmen der Flurgliederung und -erschließung wichtige Voraussetzungen zur Verbesserung des natürlichen Rückhalts leisten. Dieser kann von jedem Land- bzw. Forstwirt dann durch entsprechende Maßnahmen (z. B. hangparallele Bewirtschaftung, Aufforstung) weiter verbessert werden.
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Für fast alle größeren Gewässer 1. und 2. Ordnung, die in der Unterhaltungslast des Freistaates Bayern stehen, liegen Gewässerentwicklungskonzepte vor. Ziel ist, durch Lenkung von Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen die ökologische Funktionsfähigkeit der Gewässer mit ihren Auen zu erhalten, wiederherzustellen und zu fördern, was den Zielen der Säule II von PRO Gewässer 2030 entspricht. Auf Grundlage dieser Konzepte werden ehemals begradigte Gewässer wieder renaturiert.
Die Wirkung einer solchen Renaturierung auf das Hochwasser ist dabei vielfältig: In den Auen wird der Abfluss gebremst, längere Fließwege verzögern die Hochwasserwelle und flachere Bäche erlauben früheres Ausufern, was ebenfalls den natürlichen Rückhalt stärkt. Die Sicherung und Reaktivierung natürlicher Überschwemmungsgebiete dienen dem Erhalt und der Förderung des natürlichen Rückhalts in der Aue. Dazu werden unter anderem Deiche zurückverlegt und, wo es möglich ist, wieder eine Auwaldentwicklung zugelassen.
Maßnahmen des natürlichen Rückhaltes zeichnen sich besonders durch ihren Mehrfachnutzen aus. Maßnahmen in der Fläche können die Grundwasserneubildung steigern und oft auch den Erosionsschutz verbessern. Dadurch werden Stoffausträge aus landwirtschaftlich genutzten Flächen verringert. Renaturierungsmaßnahmen an Gewässern verbessern vor allem die Gewässerstruktur und den ökologischen Zustand und tragen zur Erhöhung der Biodiversität bei. Darüber hinaus wird das Landschaftsbild verbessert und der Naherholungswert erhöht.
Die meisten Auwälder sind Bestandteil des europäischen Schutzgebietsnetzes NATURA 2000. Somit lässt sich der dafür geforderte "günstige Erhaltungszustand" für diesen Lebensraumtyp sehr gut mit der Funktion des natürlichen Rückhalts kombinieren. Zur Erreichung des "guten ökologischen Zustands" beziehungsweise "guten ökologischen Potenzials" gemäß der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie sind regelmäßig Maßnahmen zur Förderung des natürlichen Rückhalts und zur Auenentwicklung vorgesehen. Dieser werden in sogenannten Umsetzungskonzepten verortet.
Das Auenprogramm ist am Landesamt für Umwelt angesiedelt. Es wurde bereits 2002 vom Umweltministerium im Auftrag des Bayerischen Landtags ins Leben gerufen und wird ressortübergreifend in Zusammenarbeit mit der Landesanstalt für Landwirtschaft, der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft und der Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege umgesetzt. Es verknüpft die Aktivitäten des Hochwasserschutzes und der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie mit den Naturschutzaktivitäten im BayernNetzNatur und dem europäischen Schutzgebietssystem NATURA 2000.
Grenzen von Maßnahmen des natürlichen Rückhalts
Maßnahmen des natürlichen Rückhalts können vor allem in kleineren Einzugsgebieten und vorwiegend bei häufigeren (d.h. auch kleineren) und entsprechend kleineren Hochwasserereignissen wirken. In größeren Einzugsgebieten führen vor allem langanhaltende großräumige Regenereignisse, bei denen die Bodenspeicher dann kaum mehr zu einem Rückhalt beitragen können, zu Hochwasser. Bei größeren Hochwasserereignissen werden die begleitenden Auen bereits mit der anlaufenden Hochwasserwelle gefüllt und können somit den Hochwasserscheitel nicht maßgeblich beeinflussen. Für einen ganzheitlichen Schutz müssen Maßnahmen des natürlichen Rückhalts deshalb durch technische Hochwasserschutzmaßnahmen ergänzt werden.
Im Rahmen des Forschungsprojekts "ProNaHo" (Prozessbasierte Modellierung natürlicher sowie dezentraler Hochwasserrückhaltemaßnahmen zur Analyse der ereignis- und gebietsabhängigen Wirksamkeit) wurde die Wirkung natürlicher und dezentraler Rückhaltemaßnahmen auf den Hochwasserabfluss untersucht.