Schutz - technischer Hochwasserschutz
Alle Bemühungen, Schadenspotenziale an den Gewässern zu vermeiden oder zu reduzieren sowie den natürlichen Rückhalt in den Einzugsgebieten zu verbessern, werden nicht ausreichen, einen aus der heutigen Sicht angemessenen Hochwasserschutz für die überwiegend seit Jahrhunderten besiedelten Teile der Flussauen zu gewährleisten. Gerade während großer Hochwasserereignisse, die durch längeren Dauerregen verursacht werden, sind die Böden meist bereits wassergesättigt und die natürlichen Retentionsräume geflutet. Auch künftig werden daher im Rahmen von PRO Gewässer 2030 die Anlagen des technischen Hochwasserschutzes weiterentwickelt und ergänzt. Durch den Klimawandel wird es in Zukunft häufiger zu extremen Hochwasserereignissen kommen. In den Planungen ist daher auch der Überlastfall zu berücksichtigen.
Strategien und Planungsgrundsätze
Im Handlungsfeld Schutz – technischer Hochwasserschutz gibt es die folgenden drei Grundstrategien:
- Zurückhalten insbesondere durch Talsperren, Hochwasserrückhaltebecken und Flutpolder. Das Wasser wird oberhalb der zu schützenden Bereiche zurückgehalten. Damit wird der Scheitel des Hochwasserabflusses reduziert. Die Wirkung unterscheidet sich je nachdem, ob es sich um einen natürlichen, ungesteuerten oder gesteuerten Rückhalt handelt.
- Durchleiten mit Hilfe von Deichen, Hochwasserschutzwänden oder mobilen Elementen: Im zu schützenden (Siedlungs-)Bereich wird das Gewässer so verändert, dass mehr Wasser durchfließen kann, bevor es zu Ausuferungen kommt.
- Umleiten durch Flutmulden: Ein Teil des Hochwassers wird in einer sogenannten Flutmulde um den zu schützenden (Siedlungs-)Bereich herumgeleitet.
Diese Maßnahmen können auch miteinander kombiniert werden.

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Hochwasserschutz durch Rückhalt
Durch Maßnahmen zum Rückhalt von Hochwasser lässt sich das Hochwasserrisiko auch auf längeren Flussstrecken reduzieren. Im Gegensatz dazu ist die Wirkung von Schutzanlagen wie Deichen und Hochwasserschutzwänden, aber auch von Flutmulden überwiegend lokal begrenzt. Daher ist die weitere Verbesserung des Hochwasserrückhalts ein wesentliches Ziel von PRO Gewässer 2030.
Für den (technischen) Hochwasserschutz durch Rückhalt stehen prinzipiell zwei unterschiedliche Methoden zur Verfügung. Hochwasserrückhaltebecken (HRB) können direkt vom Fluss durchströmt werden ("HRB im Hauptschluss" bzw. "Talsperre") oder seitlich vom Fluss liegen ("HRB im Nebenschluss" bzw. "Flutpolder").
Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken
Die 27 staatlichen Wasserspeicher (25 Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken sowie zwei gesteuerte Flutpolder) stellen in Bayern rund 165 Millionen m3 Rückhalteraum für den Hochwasserschutz zur Verfügung und rund 180 Millionen m3 für die Aufhöhung bei Niedrigwasser – jeweils etwa das 60-fache des Volumens eines großen Fußballstadions. Darüber hinaus gibt es weitere 23 Hochwasserrückhaltebecken in der Zuständigkeit des Freistaats Bayern mit einem Hochwasserrückhalteraum von insgesamt rund 10,4 Millionen m3; weitere sind geplant.
Durch- und Umleiten: Deiche, Hochwasserschutzwände, mobile Hochwasserschutzsysteme, Flutmulden
Beim Durchleiten wird das Gewässerbett selbst so verändert, dass es mehr Wasser aufnehmen kann und geschützte Bereiche dadurch trocken vom Hochwasser verschont bleiben. Beim Umleiten wird ein Teil des Hochwassers in zusätzliche, parallele Fließwege – sogenannten Flutmulden – umgeleitet.
Umleitungen in Form von Flutmulden benötigen in der Regel viel Platz, der heute nur noch selten verfügbar ist. Daher kommen Flutmulden kaum noch zur Ausführung. Maßnahmen des Durchleitens (Gewässerausbau und linienförmige Hochwasserschutzanlagen) erhöhen die Leistungsfähigkeit der Gewässer und verringern dadurch das Überflutungsrisiko. Der Gewässerausbau erfolgt in der Regel durch Aufweitung des Gewässerbetts. Zu den linienförmigen Hochwasserschutzanlagen zählen Deiche, Hochwasserschutzwände und mobile Hochwasserschutzsysteme mit den zugeordneten Betriebsanlagen wie Schöpfwerke und Siele zur Binnenentwässerung sowie Verschlüsse zum Schließen von Lücken in Deich- oder Wandsystemen.
Jedes System hat seine individuellen Vor- und Nachteile. So benötigt ein Deich bei einem Hochwasser keinerlei Vorwarnzeit. Dafür erfordert er ausreichend viel Platz und kann Sichtachsen zerschneiden. Letzteres ist insbesondere in innerstädtischen Bereichen von Bedeutung. Demgegenüber sind mobile Hochwasserschutzelemente nur zu Hochwasserzeiten sichtbar und verursachen im Vergleich zu Deichen einen geringeren Flächenbedarf. Allerdings muss für die Sicherstellung des rechtzeitigen Aufbaus eine ausreichende Vorwarnzeit zur Verfügung stehen. Der Aufbau selbst erfordert einen hohen Personal- und Geräteeinsatz. Ferner sind mobile Systeme anfälliger gegenüber außerplanmäßigen Belastungen, wie beispielsweise dem Anprall von Treibholz. Da der Einsatz mobiler Elemente im Vergleich zu ortsfesten Anlagen ein höheres Risiko birgt, gilt ein sogenanntes Minimierungsgebot. Es kommen daher überwiegend Kombinationen aus ortsfesten Anlagen (in der Regel Hochwasserschutzwände) und mobilen Elementen zur Anwendung. Typischer Einsatzbereich mobiler Elemente sind historische Innenstädte. Beispiele hierfür sind die Hochwasserschutzanlagen in Miltenberg, Bad Kissingen und Neuburg/Donau sowie der im Bau befindliche Hochwasserschutz für die Stadt Regensburg.

Die Fortschritte in der Konstruktion und Wirksamkeit mobiler und damit platzsparender Hochwasserschutzanlagen in den letzten Jahren haben dazu geführt, dass diese Form der Schutzanlagen, gerade in Innenstädten immer häufiger zur Anwendung kommt. Welche Möglichkeiten des technischen Hochwasserschutzes aufgrund der vorhandenen Rahmenbedingungen machbar, zweckmäßig und wirtschaftlich sind, muss jeweils im Einzelfall durch die zuständige Fachverwaltung erarbeitet werden. Die Realisierung vor Ort wird daraufhin mit den Bürgern diskutiert und in Abstimmung mit den Belangen von Städtebau, Denkmalschutz, Landschafts- und Naturschutz entschieden.
Resiliente Schutzsysteme
Bei allen Planungen gilt es, vorausschauend zu denken und aktuelle Entwicklungen zu berücksichtigen. Im Regelfall werden Hochwasserschutzanlagen auf ein sogenanntes HQ100-Ereignis bemessen. Dieses Bemessungshochwasser entspricht einem Abfluss, der statistisch gesehen alle 100 Jahre einmal erreicht oder überschritten wird. Der Freistaat Bayern begegnet der Tatsache, dass es künftig klimabedingt bei Hochwasserereignissen zu höheren Abflüssen kommen wird, mit einem sogenannten Klimaänderungszuschlag. Dieser Zuschlag von in der Regel 15 Prozent bewirkt, dass neue Hochwasserschutzanlagen entsprechend größer dimensioniert werden.
Wird der Wasserstand des Bemessungshochwassers bei einer Hochwasserschutzanlage dennoch überschritten, spricht man vom Überlastfall. Durch resiliente (d.h. widerstandsfähige) Bauweisen sowie resiliente Schutzsysteme mit Entlastungsräumen (z.B. gesteuerte Flutpolder) soll verhindert werden, dass im Überlastfall das gesamte Schutzsystem versagt. Räume mit hohem Schadenspotenzial sollen so lange wie möglich vor einer Überflutung geschützt werden.
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Weiterführende Informationen
Links
- Flutpolder in Bayern
- Übergreifende Studien zum Wasserrückhalt
- Staatliche Wasserspeicher in Bayern
- Merkblattsammlung Wasser: Merkblatt Nr. 5.2/4 – Einsatz von mobilen Elementen für den planmäßigen Hochwasserschutz
- Publikationen zum Thema Wann trifft uns das Wasser - Hochwasser- und Starkregenrisiken gemeinsam reduzieren