Gebietseigene Gehölze und gebietseigenes Saatgut

Gebietseigene Gehölze und Blütenpflanzen sind besonders gut an einen bestimmten und für sie typischen Naturraum angepasst, insbesondere an Klima, Höhenlage, Sonneneinstrahlung und Bodenverhältnisse des jeweiligen Naturraumes. Durch diese Anpassung haben sie über einen langen Zeitraum und in vielen Generationen eine voneinander abweichende, regionaltypische genetische Ausstattung entwickelt. Diese sichert ihnen ihr Überleben gegen verschiedene Konkurrenten und ermöglicht Anpassungen an die örtlichen Lebensraumbedingungen.

Gebietseigene Gehölze und Blütenpflanzen, auch (gebiets)heimisch oder autochthon genannt, bilden häufig Lebensgemeinschaften mit anderen Organismen, wie Nektar sammelnde und bestäubende Insekten.

So sind zum Beispiel zahlreiche Schmetterlinge auf eine oder wenige spezielle heimische Pflanzenarten angepasst, wie beispielweise die Raupen des Apollofalters an den Mauerpfeffer. Oft sind komplexe Beziehungsgeflechte zwischen Pflanzen und Tieren entstanden wie beim Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling, der ohne bestimmte Ameisenarten und die Blüten des Großen Wiesenknopfs nicht überlebensfähig ist. Fehlen diese Pflanzen, ist eine Entwicklung dieser Tierarten nicht möglich.

Bei Ansaaten von Gehölzen und Blütenpflanzen ist es daher wichtig, einheimisches, regionales Material zu verwenden, um eine vielfältige, lebenswerte Landschaft zu erhalten.

Mögliche negative Auswirkungen von nicht gebietseigenem Saat- und Pflanzgut

Wird gebietsfremdes Saat- und Pflanzgut eingebracht, führt dies zu Einkreuzungen durch Pollenübertrag, was folgende Auswirkungen haben kann:

  • spezifische, genetische und aufeinander abgestimmte Anpassungen der Pflanzen an örtliche Gegebenheiten werden gestört, was die Wuchskraft, die Samenproduktion oder die Keimfähigkeit der Pflanzen verringern kann
  • die jahreszeitlichen Entwicklungsphasen, besonders Austrieb und Blühzeitpunkt können sich verändern, sodass Pflanzen beispielsweise anfälliger für Spätfröste werden oder Samen bis zum Herbst nicht mehr ausreifen
  • die wechselseitige Anpassung zwischen Blütenbesuchern und Blühperioden der Pflanzen geht verloren, was zu einem massiven Rückgang der Bestäubungsleistung und einer Gefährdung von Pflanzen- und Tierarten durch ausbleibende Bestäubung führen kann
  • besondere regionale Formen können durch die Vermischung ("Hybridisierung") mit nicht gebietseigenen Sippen unwiederbringlich verschwinden (Verlust genetischer Vielfalt)
  • es fallen einzigartige genetische Ressourcen weg, die in der Züchtung von Nahrungspflanzen für eine zukünftige Ernährungssicherung genutzt werden könnten, zum Beispiel Rückgriff auf spezifische Resistenzen der Wilden Möhre für die Verbesserung der Karotte
  • die Änderungen des Genpools von Arten sind vielfach nicht oder nur in mehreren Jahrhunderten wieder rückgängig zu machen
  • es wird den Pflanzen erschwert, sich schnell an geänderte Lebensbedingungen, zum Beispiel durch den Klima- oder Nutzungswandel anzupassen
  • durch den vermehrten Ausfall, also Absterben oder gar nicht erst Aufkommen von Pflanzen, von nicht regional ausgebrachtem Pflanz- und Saatgut nimmt die Kosteneffizienz einer Auspflanzung oder Aussaat deutlich ab.

Rechtliche Grundlagen

Nach § 40 BNatSchG dürfen Gehölze und Saatgut in der freien Natur nur innerhalb ihrer Vorkommensgebiete ausgebracht werden. Wer Pflanzen außerhalb ihrer Vorkommensgebiete in der freien Natur ausbringen möchte, benötigt eine Genehmigung. Damit sollen nur Pflanzen verwendet werden, die ihren genetischen Ursprung in dem entsprechenden Ausbringungsgebiet haben (gebietseigene Herkünfte).
Ausgenommen sind unter anderem:

  • der Anbau von Pflanzen in der Land- und Forstwirtschaft,
  • künstlich vermehrte Pflanzen, wenn sie ihren genetischen Ursprung in dem betreffenden Gebiet haben.

Wenn eine Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen oder Arten der Mitgliedstaaten nicht auszuschließen ist, ist keine Genehmigung zu erteilen.

Fachbegriffe im Zusammenhang mit Saat- und Pflanzgut

Folgende Fachbegriffe und unbestimmte Rechtsbegriffe werden häufig in Zusammenhang mit regionalem Pflanzenmaterial verwendet:

freie Natur

Freie Natur ist gleichzusetzen mit dem Begriff des "unbesiedelten Bereichs". Auch innerhalb von Ortschaften kann es freie Natur geben, die aus größeren Freiflächen - wie beispielsweise Parkanlagen oder Stadtwälder - bestehen. Diese sind von ihrem natürlichen Erscheinungsbild entscheidend geprägt. Nicht als freie Natur gelten gärtnerisch genutzte Flächen. Ob ein Bereich der freien Natur zuzuordnen ist, richtet sich nach dem tatsächlichen Zustand der Fläche und nicht nach der bauplanungsrechtlichen Zuordnung nach § 35 BauGB.
Folgende Sonderstandorte an klassifizierten Straßen und Gemeindestraßen sind nicht zur freien Natur zu zählen:

  • Oberbodenmieten
  • Bankette
  • Mittel- und Trennstreifen
  • Lärmschutzwände
  • Steilwände
  • Stützwände
  • Intensivbereich von Tank- und Rastanlagen

gebietseigene Gehölze

Gebietseigen werden Gehölze dann genannt, wenn sie sich in ihren Vorkommensgebieten in vielen Generationsfolgen vermehrt haben.

gebietseigenes Saatgut

Bei gebietseigenem Saatgut handelt es sich um Wildformen von hauptsächlich Gräsern und Kräutern aus definierten Ursprungsgebieten, die die Vorkommensgebiete im Sinne des § 40 BNatSchG darstellen.

autochthon

Der Begriff "autochthon" stammt aus dem griechischen und steht für "alteingesessen", "bodenständig", "am Ort entstanden". Gemeint sind an Ort und Stelle spontan entstandene Pflanzen. Bei Anpflanzungen wird mittlerweile der leichter abzugrenzende Begriff "gebietseigen" verwendet und der Begriff "autochthon" nur noch benutzt, wenn Saatgut aus der unmittelbaren Umgebung stammt (zum Beispiel innerhalb einer Kommune).

Teilen