Waldbirkenmaus (Sicista betulina)

Die Waldbirkenmaus (Sicista betulina) ist eines der seltensten Säugetiere in Mitteleuropa und gilt in Deutschland als stark gefährdet. Mit einer Kopf-Rumpf-Länge von 60 mm und einem Gewicht von 5 bis 10 Gramm zählt sie zu den kleinsten heimischen Kleinsäugern. Auffällige Bestimmungsmerkmale sind der über körperlange Schwanz und ein schwarzer Aalstrich auf dem Rücken.

In Deutschland stellt die Waldbirkenmaus ein Relikt der letzten Eiszeit dar und stößt an die Südostgrenze ihres kontinuierlichen Verbreitungsgebiets. In Bayern ist sie nur lokal im Bayerischen Wald und in den Alpen verbreitet und war bis 2013 lediglich von sieben Fundorten aus den Landkreisen Freyung-Grafenau und Oberallgäu bekannt.

Bayerkarte mit Markierung der Verbreitungsgebiete ab dem Jahr 2000. Verbreitung ab dem Jahr 2000

Als Anhang-IV Art der FFH-Richtlinie ist die Waldbirkenmaus streng geschützt. Über den Erhaltungszustand dieser seltenen Art muss durch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union regelmäßig Bericht erstattet werden. Das Bayerische Landesamt für Umwelt hat daher im Jahr 2011 ein mehrjähriges Forschungsprojekt in einem Vorkommensgebiet der Waldbirkenmaus im Bayerischen Wald in Auftrag gegeben. Dabei sollten Daten zu aktuellen Vorkommen, Bestandsstärken, Habitatansprüchen und zum Gefährdungsgrad der Art erhoben werden.

2013 konnte so die Waldbirkenmaus nach 60 Jahren erstmals wieder bei Altreichenau im Hinteren Bayerischen Wald durch zwei Bodenfallenfänge nachgewiesen werden. Klassische Methoden der Kleinsäugerforschung wie die Verwendung von Kasten- und Bodenfallen erwiesen sich jedoch bald als ungeeignet für eine systematische Erfassung der Waldbirkenmaus. Angeregt durch Arbeiten eines norwegisch-schwedischen Forschungsteams kamen 2016 erstmals hochauflösende Wildkameras zum Einsatz, die speziell für das Kleinsäugermonitoring optimiert wurden. Die Kameras werden hierbei bodennah aufgestellt und für mehrere Wochen bis Monate im Feld belassen. Mit dieser Methodik konnten inzwischen alle bisher bekannten Vorkommen der Waldbirkenmaus im Bayerischen Wald bestätigt und drei neue Vorkommen dokumentiert werden. Neben der Waldbirkenmaus wurde eine Vielzahl anderer, teils seltener kleine und mittelgroßer Säugetierarten nachgewiesen, darunter Alpenspitzmaus, Kurzohrmaus, Zwergmaus, Biber, Iltis und Baummarder. Seit 2018 wird das Projekt erfolgreich im Oberallgäu fortgeführt. Dort konnten im Fellhorngebiet alte Sichtnachweise bestätigt werden.

Im Hinteren Bayerischen Wald und den Allgäuer Hochalpen scheint die Waldbirkenmaus stabile Bestände aufzuweisen, wenn auch in jeweils eng umgrenzten Gebieten. Die Waldbirkenmaus besiedelt hier Hoch- und Niedermoore, Moorwald, Streuwiesen, Hochstaudenfluren, verbrachte Weideflächen und Zwergstrauchheiden. Viele dieser Flächen sind durch Entwässerungsmaßnahmen und intensivierte Landnutzung stark isoliert und weisen vermutlich nur sehr kleine Populationen auf. Als konkurrenzschwache Art ist die Waldbirkenmaus zusätzlich möglicherweise durch die Einwanderung dominanterer Arten wie der Waldmaus in degradierte Habitate gefährdet. Um die Gefährdungssituation in Bayern besser einschätzen zu können, läuft seit 2020 ein Pilotprojekt, bei dem einzelne Birkenmäuse markiert und über einen längeren Zeitraum verfolgt werden sollen. Dadurch sollen erstmals auch Daten zur Individuendichte, Populationsentwicklung und Lebensraumnutzung dieser Art erhoben werden, um fundierte Maßnahmen für den Schutz dieser bedrohten Art entwickeln zu können.

Wiese im Vordergrund mit Hochstaudenflur und Nadel-und Laubgehölzen im HintergrundAlpine Feuchtwiesen im Bereich der Waldgrenze, Lebensraum der Waldbirkenmaus in Oberallgäu; Foto: David Stille

Weiterführende Informationen

Links

Dokumente

  • Bericht zum Projekt "Waldbirkenmaus – heimlicher Bewohner der Allgäuer Alpen"
  • Die Waldbirkenmaus (Sicista betulina) im Bayerischen Wald, ANLiegen Natur
  • Kraft, R., Malec, F., Luding, H., Stille, D.,Holler, J., und Müller, J. (2013): Aktuelle Nachweise der Waldbirkenmaus, Sicista betulina (Pallas, 1779) im Bayerischen Wald. Säugetierkundliche Informationen, Jena 9, 95-104.
  • Gillich, J. (2018). Nachsuche der Waldbirkenmaus und Erfassung der örtlichen Kleinsäugerfauna mittels Wildkameras zwischen 1400 m und 1600 m ü. NN in den Allgäuer Alpen. (Bachelorarbeit, Wald und Forstwirtschaft), Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.
  • Van der Kooij, J., & Møller, J. D. (2018). The birch mouse Sicista betulina in Frostviken, Sweden: Development of inventory methods. In Naturformidling van der Kooij

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