Gewölleuntersuchungen

Eine wichtige Nachweismethode zu Kartierung von Kleinsäugern ist die Analyse von Gewöllen der Schleiereule. Die Schleiereule jagt im Gleitflug nahezu geräuschlos wenige Meter über dem Erdboden. Als Nahrung dienen hauptsächlich Mäuse, aber auch Spitzmäuse, Vögel, Amphibien, Reptilien und Großinsekten.

Nahrungsbestandteile der Beutetiere (v. a. Haare, Federn, Knochen), welche nicht verdaut werden können, werden in sogenannten Gewöllen wieder ausgewürgt. Insbesondere die Schädel und Kiefer der Kleinsäuger aus den Gewöllen können bestimmt werden und für die Analyse der Verbreitung von Kleinsäugern herangezogen werden. Nachweise aus systematischen Gewölleuntersuchungen sind bereits aus dem 19.Jahrhundert bekannt. Der Zoologe A. J. Jäckel hat von 1850 bis 1882 eine große Anzahl an Schleiereulengewöllen auf Kleinsäuger und andere Tiergruppen hin untersucht und dadurch ihre damalige Verbreitung dokumentiert (siehe auch die Vergleiche dazu in der Roten Liste Bayern). Auch die Verbreitungsdaten zu Spitzmäusen und Mäusen von Dr. Richard Kraft für den Kleinsäugeratlas Bayern fußen zu einem erheblichen Teil auf Gewölleanalysen durch ihn.

Die Beutezusammensetzung in den Gewöllen der Schleiereulen gibt auch Rückschlüsse auf Veränderungen der relativen Häufigkeiten innerhalb der erbeuteten Tiergruppen. So können z. B. Störungen in den Nahrungsketten zu Abnahmen von ganzen Beutetiergruppen führen, was sich durch vergleichende Gewölleanalysen aus früheren Zeiten bis in die Jetztzeit nachweisen lässt. Daher werden seit 2020 neue Gewölleproben an den, durch Richard Kraft untersuchten Schleiereulenbrutplätzen genommen und analysiert, um Veränderungen in der Kleinsäugerfauna Bayerns und in der Verbreitung der Arten in den letzten 20 Jahren aufzeigen zu können.

Bayerkarte mit Markierung der Verbreitungsgebiete ab dem Jahr 2000. Verbreitung ab dem Jahr 2000

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts bis zur Publikation des Kleinsäugeratlas 2004 sind 8.691 Direkt- und 34.904 Gewöllenachweise von Kleinsäugern in Bayern dokumentiert. Während der Großteil der Direktnachweise vor 1990 erbracht wurde, hat R. Kraft in den Jahren 1990 bis 2004 aus über 10.000 Schleiereulengewöllen 34.420 Kleinsäugerschädel freipräpariert und bestimmt (Mäuse und Spitzmäuse in Bayern, 2008). Die Gewölle stammen aus 386 Nistkästen aus allen Brutgebieten der Schleiereulen in Bayern. Schleiereulen sind Brutvögel des Hügel- und Flachlandes und brüten als Kulturfolger überwiegend im Siedlungsbereich in Gebäuden. Die meisten Angaben zu Fundorten von Kleinsäugern im bayerischen Flachland sind Resultate dieser Auswertung von Gewölleproben, so dass die Verbreitungskarten der Kleinsäuger häufig vor allem die Verbreitung der Schleiereule widerspiegeln.

Die Schleiereule ist in Bayern gefährdet, durch Information und Aufklärung der Bevölkerung wurden vielerorts künstlich geschaffene Brutplätze in Form von Nistkästen in Kirchtürmen und landwirtschaftlichen Gebäuden angebracht. Bei routinemäßigen Kontrollen der Nistkästen wurden die Gewölle entnommen. Unter Mithilfe der Bevölkerung, speziell von Landwirtschaft Betreibenden, ornithologisch Interessierten und ehrenamtlich im Naturschutz Aktiven waren deshalb Gewölle oft in größerer Zahl zu erhalten.

Aufgrund des großen Nahrungsspektrums von Schleiereulen kann durch Gewölleanalysen statistisch eine gute Übersicht über die Kleinsäugervorkommen in ihrem Verbreitungsgebiet gewonnen werden. Da sich Schleiereulen nur etwa 2 km weit vom Nest, in der Brutzeit sogar oft nur 600 m weit, entfernen, ist eine grobe Abgrenzung des Areals, auf dem Kleinsäuger erbeutet wurden, durch die Auswertung von Gewöllen möglich.
Alpen, Alpenvorland und Mittelgebirge stellen keine Brutgebiete der Schleiereulen dar, Nachweise sind hier deshalb schwieriger zu erbringen als in Gebieten mit Schleiereulenvorkommen, und die Verbreitung der Kleinsäuger ist hier nur lückenhaft bekannt.

Weiterführende Informationen

Dokumente

  • Jäckel, A. J. (1863): Ueber die Nahrung unserer Eulen (Striges) und deren wirthschaftlichen Werth. In: Correspondenz-Blatt des Natur­wis­sen­schaft­lich­en Vereins (früher Zoologisch-mineralogischer Verein) in Regensburg. Band 37, Nr. 1/2, 1883, S. 9–23.

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