Fachliche Grundlagen

Der Biotopverbund basiert auf Konzepten, die sich in den späten 1960er- und 1980er-Jahren entwickelt haben. Diese besagen, dass die Populationen vieler Arten über räumlich getrennte Lebensräume verteilt sind und das Überdauern dieser Populationen nicht nur von der Fortpflanzung abhängt, sondern auch von dem Austausch einzelner Individuen zwischen den Lebensräumen. Die umgebende Landschaft kann diesen Austausch sowohl fördern als auch behindern. Der Biotopverbund gewährleistet, dass ein erfolgreicher Austausch der Arten zwischen ihren Lebensräumen stattfindet und sich Individuen unterschiedlicher Populationen miteinander fortpflanzen können.

Die erfolgreiche Verbreitung von einzelnen Individuen und der Austausch zwischen den Populationen sind für das langfristige Überdauern vieler Arten wichtig. Das bedeutet, dass Kernflächen alleine den fortschreitenden Artenschwund nicht aufhalten können – es muss zusätzlich eine Wanderung zwischen den Kernflächen und weiteren vorhanden Artvorkommen stattfinden können. Hierzu müssen bestehende Biotope optimiert und weiterer Lebensraum geschaffen werden. Dies ermöglicht, dass sich auf lokaler und auf Landschaftsebene Individuen genetisch austauschen. Eine Wiederbesiedlung ist dort möglich, wo eine Population lokal bereits ausgestorben ist.

Kernflächen des Biotopverbunds sind durch Verbindungsflächen in der Landschaft vernetzt und stellen zusätzlichen Lebensraum dar.

Um räumliche Wanderungsbewegungen bestmöglich zu verstehen, ist ein weitreichendes Wissen über die zu betrachtenden Arten notwendig.

  • Wie vital und groß ist die bestehende Population?
  • Welche Distanzen kann eine Art zurücklegen?
  • Welche Strukturen oder Mechanismen sind für die Ausbereitung wichtig?
  • Welchen saisonal bedingten Veränderungen unterliegt die Art?
  • Welchem Konkurrenz- oder Prädationsdruck ist die Art ausgesetzt?

Sind derartige Grundlagen bekannt und ist definiert, welche Lebensräume und Arten regional besonders wichtig sind, können wir so regional oder lokal effektive Maßnahmen für diese prioritären Lebensräume oder Zielarten umsetzen – ein bereits erfolgreich angewandter Ansatz.

In der Fläche muss die Nutzung extensiviert werden

Auf Landschaftsebene sind jedoch auch Flächen von großer Bedeutung, die außerhalb der normalen Ausbreitungsdistanzen einzelner Zielarten liegen. Viele Arten können ihr Ausbreitungsverhalten je nach Umgebung anpassen. Außerhalb ihres bevorzugten Lebensraums können sie sich bei Bedarf schneller und weiter fortbewegen und somit auch weiter entfernt gelegene Flächen erreichen. Viele Arten verfügen über Strategien, neue Lebensräume zu erreichen und als Gründerindividuen neue Populationen zu begründen. Je mehr geeigneter Lebensraum in der Landschaft vorhanden ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich neue Populationen etablieren können.

Damit möglichst viele Arten vom Biotopverbund profitieren, sollte auf Landschaftsebene gedacht werden. Um den landesweiten Biotopverbund in Bayern zu erweitern, liegt der Fokus auf bestehenden Vorkommen von Arten und hochwertigen Lebensräumen. Ziel ist, möglichst viele – auch kleine – Flächen zu sichern, in den Biotopverbund zu integrieren und ökologisch aufzuwerten. Es wird angestrebt, die Landschaft insgesamt durch eine extensive Nutzung flächenhaft zu verbessern. Dies bedeutet, den Trend der letzten Jahrzehnte, eines besonders starken Lebensraumverlusts, außerhalb der Kernflächen in der Kulturlandschaft Bayerns zurückzudrehen.

Für einen wirksamen Biotopverbund sind daher vitale Populationen sowie der vorhandene Lebensraum ausschlaggebend. Steigt die als Lebensraum zur Verfügung stehende Fläche für eine Art in der Landschaft an, führt dies zu größeren Populationen und folglich zu mehr Individuen, die sich ausbreiten können. Besonders für gefährdete Arten sind naturnahe Flächen zwischen den bestehenden Kernflächen wichtig. Dabei ist die Qualität der Flächen durchaus von hoher Bedeutung, damit sie Arten bei der Wanderung nutzen.

Was bedeutet das für den Naturschutz?

Damit Biotopverbundflächen ihre Funktion erfüllen, müssen die Flächen in einem hochwertigen ökologischen Zustand sein. Um dies zu erreichen, ist Landschaftspflege wie das Entbuschen von Magerrasen oder Mooren oder eine angepasste extensive Pflege notwendig, damit die Überlebenschancen der Populationen steigen. Zusätzlich müssen wir neue Biotope anlegen. Nur so wirken wir dem generellen Lebensraumverlust entgegen. Für Amphibien und Libellen sind beispielsweise neuangelegte Teiche und Tümpel sowohl Nahrungs- als auch Fortpflanzungsstätte und zugleich Verbindungsfläche, um neue Flächen zu erreichen.

Bezogen auf einen landesweiten Biotopverbund in Bayern bedeutet das

  • wichtig ist ein Schutz der Populationen in- und außerhalb der Kernflächen; Artenschutz ist daher integraler Bestandteil eines erfolgreichen Biotopverbunds.
  • viele Verbindungsflächen über die Landschaft verteilt müssen eine große Bandbreite an Lebensräumen abdecken – sie bilden ein Mosaik in der Landschaft.
  • kleine Flächen müssen erhalten bleiben, da der Lebensraumanspruch einer jeden Art unterschiedlich ist und kleine Flächen für Wanderungen oder als Lebensraum dienen.

Nur wenn Individuen aus den Quellpopulationen erfolgreich Lebensräume erreichen, können sie sich mit weiteren Populationen und Reliktvorkommen genetisch austauschen. Der Austausch kann aktiv oder passiv erfolgen. Wind, fließendes Wasser oder andere Transporthilfen wie Weidetiere transportieren bei immobilen oder wenig mobilen Arten Samen, Eier oder ganze Tiere.

Um einen funktionierenden Biotopverbund für wenig mobile Arten zu gewährleisten, kann es sogar notwendig sein, Mahdgutübertragung oder die extensive Weidetierhaltung zu etablieren, um entsprechende Austauschprozesse zwischen den Flächen zu verbessern oder herzustellen. Neben einer artenreichen, regionaltypischen Flora schaffen über die Flächen wandernde Weidetiere strukturreiche Korridore und Störstellen, die für eine Vielzahl an Arten optimale Lebensräume bieten.

Ein Mann mäht eine Streuwiese mit einem Balkenmäher Naturschonende Pflege von einer Streuwiese mit einem Balkenmäher. Foto: Dr. Andreas Zehm

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