Kormoranmanagement

Der Kormoran ist seit dem Ende der Würm-Eiszeit in Süddeutschland durch Knochenfunde nachgewiesen, so am baden-württembergischen Federsee, wo Funde aus der Mittleren Steinzeit bis zur Bronzezeit den Kormoran als Jagdbeute und Nahrungsbestandteil belegen. Im Mittelalter wird der Kormoran als Brutvogel des Rheingaus erwähnt (Hildegard von Bingen 1098 -1179), und auch in Bayern wird der "Wasseradler" in der Chronik des Tegernseer Tals von Toni Beil auf einem Stich aus dem Jahr 1590 dargestellt.

Der wissenschaftliche Name „Phalacrocorax carbo sinensis“ der Mitteleuropa und Asien besiedelnden Festlandsrasse des Kormorans hat verschiedentlich Anlass gegeben, ihn als nicht-heimischen Zuwanderer anzusehen. Der Kormoran ist jedoch eine heimische Art im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes (§ 7 Abs. 2 Nr. 7), da er sein Verbreitungsgebiet oder regelmäßiges Wandergebiet ganz oder teilweise im Inland hat bzw. in geschichtlicher Zeit hatte und dieses auch auf natürliche Weise in das Inland ausdehnte.

Der Kormoran als Fisch fressender Beutegreifer wurde, wie andere Nahrungskonkurrenten des Menschen, schon in früheren Jahren massiv verfolgt und bis 1920 in Mitteleuropa durch Menschenhand so gut wie ausgerottet. Etwa ab Mitte der 1940er Jahre siedelte er sich wieder zögerlich an den Küsten an und ist heute wieder ein regelmäßig anzutreffender Brut- und Gastvogel in Bayern und ganz Deutschland.

Volkszählung in Bayern

Die europaweite Unterschutzstellung der Art im Jahre 1979 durch die Europäische Vogelschutzrichtlinie kam vor allem den Kormoran-Kolonien in den Niederlanden, in Dänemark und später auch in der baltischen Region und in Deutschland zugute. Diese erstarkten zuerst und sind seither maßgeblich am starken Wachstum der Kormoran-Population in Europa beteiligt.

Nicht zuletzt wegen des hohen Konfliktpotentials um den Kormoran im Spannungsfeld zwischen Fischerei- und Naturschutzinteressen ist ein Monitoring nötig, um die Bestandszahlen auf eine objektive Basis zu stellen.

Kormorane sind je nach Population und Standort mal Standvogel, Teilzieher oder Zugvogel. Eine Bestandserfassung über das Jahr hinweg ist wegen der hohen Fluktuation und Dynamik der Bestände extrem schwierig. In Bayern werden deshalb zwei Zählungen jährlich durchgeführt: Die eine zur Brutzeit, wenn mit dem beginnenden Laubaustrieb die Nester gezählt werden und damit auf die Zahl der Brutpaare geschlossen werden kann. Die andere zu den Zugzeiten und während der Überwinterung: Von September bis April führen zahlreiche ehrenamtliche Ornithologen und Fischer landesweit Zählungen der Kormorane an den gemeinschaftlich genutzten Schlafplätzen durch, um den Winter- und Rastbestand durch zeitgleiche Erhebungen zu erfassen. Diese Zählungen führt der Landesbund für Vogelschutz mit Unterstützung des Landesfischereiverbandes durch.

Der Brutbestand des Kormorans

Die Zahl der in Bayern brütenden Paare wuchs seit 1980 zunächst zögerlich, ab den späten 1980er Jahren stark bis zum vorläufigen Populationsmaximum im Jahre 2021, als der Bestand 680 Brutpaare erreichte. In den letzten Jahren pendelt der Brutbestand um 600 Paare, mit teilweise starken Schwankungen zwischen 499 und 680 Brutpaaren.

Brutkolonien

Anfangs entwickelte sich nur am Ismaninger Speichersee eine Brutkolonie. Seit 1988 nahm die Zahl der Brutkolonien kontinuierlich zu und blieb in den vergangenen zehn Jahren mit maximal 14 und 15 Kolonien weitgehend konstant. Die Koloniestärke schwankt stark zwischen einem Brutpaar und bis über 150 Brutpaaren bei etablierten Kolonien. In den vergangenen zehn Jahren gingen die Brutpaarzahlen vor allem am Ammersee und am Chiemsee um 40 bis 50 Prozent zurück, etablierte Kolonien am Chiemsee (Tiroler Achen) und in den Charlottenhofer Weihern sind erloschen. Dagegen wuchs die 2005 neu gegründete Kolonie im Hörsteiner See stark an, auf um die 150 Brutpaare. Ab 2021 nahm die Zahl von Neugründungen auffällig zu, vermutlich in Folge von Managementmaßnahmen in den jeweiligen Regionen.

Brutkolonie des Kormorans Kormoran-Brutkolonie; Foto: Andreas Hartl

Eine Übersicht über die Anzahl der Brutpaare seit 1977 bezogen auf die jeweiligen Brutkolonien gibt folgende Tabelle:

Winterbestand

Nach den Ergebnissen der Schlafplatzzählungen des LfU im Winter wuchs der Rastbestand des Kormorans bis zum Winter 1994/1995 stark, mit einem Maximum des mittleren Winterbestandes von 9.225 Individuen. Seit den späten 1990er Jahren schwankt er zwischen 6.500 und 7.500 Individuen. Seit Mitte der 2000er Jahre nahmen die Winterbestände um 20 % ab und pendeln seitdem um 6.000 Individuen.

Seit 1996 existieren in Bayern naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen, die den Abschuss unter bestimmten Voraussetzungen (s.u.) erlauben. Seitdem wurden im Winter durchschnittlich 8.000 (3.686-11.061) Kormorane erlegt. Im Winter 2016/17 stiegen die Abschüsse sprunghaft um 59,3 % auf 11.061 Individuen an. Seitdem pendeln sie wieder um den langjährigen Mittelwert.

Erläuterung im vorangehenden Text Entwicklung der landesweiten Kormoranbestände (Winterdurchschnitt) im Vergleich zu den gemeldeten Abschusszahlen seit der Wintersaison 2001/02

Die Zugdynamik (Phänologie) des Kormorans an bayerischen Gewässern ist dadurch geprägt, dass die Bestände üblicherweise ab September langsam, spätestens aber im Oktober rasch zunehmen, um im November, manchmal auch erst im Dezember das Wintermaximum (bis 8.500 Ind.) zu erreichen. Der Winter 2022/23 (rote Linie) zeigte mit knapp über 5.000 Individuen ein untypisches Anwachsen der Winterbestände im November und Dezember auf niedrigem Niveau und erreichte erst im Januar sein im Vergleich zu anderen Jahren ein niedriges Maximum.

Zur Jahreswende folgt, bedingt durch die Vereisung vieler Nahrungsgewässer, ein Rückgang der Bestandszahlen. In den meisten Jahren fallen die Bestände zum März hin nochmals deutlich ab – hier macht sich bereits der Abzug der Vögel in die Brutgebiete bemerkbar. Spätestens im April lösen sich die Rastbestände durch den fortschreitenden Heimzug in die Brutgebiete ganz auf.

Schlafplätze

Von Beginn der Erfassung bis zur Zählsaison 2011/12 nahm die Zahl der Schlafplätze kontinuierlich zu. Ab der Zählsaison 2012/13 pendeln sich die Schlafplätzen auf etwa 140 Standorten ein.

Die Schlafplatzzählungen dokumentieren eine stetige Aufsplitterung der Bestände auf kleine und kleinste Kolonien mit unter 50 nächtigenden Tieren, während die Zahl mittelgroßer und großer Schlafplätze mit 100 bis über 200 Tieren gesunken ist. Möglicherweise ist dieser Trend eine Folge der Abschüsse, die auch an Schlafplätzen erfolgen.

Management

Der Kormoran ist als europäische Vogelart besonders geschützt (§ 7 Abs. 2 Nr. 13 b, BNatSchG). Damit greifen die Verbote (Fang, Verletzung, Tötung) des § 44 Abs. 1 BNatschG, die allerdings durch Ausnahmeverordnung eingeschränkt werden können (§ 45 Abs. 7), wenn dies zum Beispiel zur Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden oder zum Schutz der heimischen Tierwelt erforderlich ist.

1996 wurde von der Bayerischen Staatsregierung eine artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnung (AAV), umgangssprachlich kurz Kormoranverordnung, eingeführt (zuletzt geändert am 16.07.2008). Damit wurde eine Abschusserlaubnis für Kormorane in der Zeit vom 16. August bis 14. März und im Umkreis von 200 m um Gewässer außerhalb von Naturschutzgebieten, Nationalparken und europäischer Vogelschutzgebiete bayernweit erteilt und zuletzt bis 16.07.2027 verlängert.

Vor dem Hintergrund eines Landtagsbeschlusses vom 07.05.2009 "Hilfe für die Fischereiwirtschaft und gefährdete Fischbestände" (Drs. 16/1304) haben die Regierungen zusätzliche Allgemeinverfügungen erlassen, die gebietsspezifisch weitergehende Regelungen als die artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnung (AAV) aufweisen.

Folgende Allgemeinverfügungen liegen vor:

Zudem liegen die "Vollzugshinweise zur naturschutz- und waffenrechtlichen Behandlung von Vergrämungsmaßnahmen sowie zur baurechtlichen Beurteilung und finanziellen Förderung von Teichüberspannungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Kormoranen" und das Einlegeblatt zur Streckenliste vor.


Kormoran-Allgemeinverfügungen jetzt auch digital im "BayernAtlas" verfügbar

Das LfU und der Landesfischereiverband Bayern e.V. (LFV) haben in einem gemeinsam durchgeführten Projekt die Regelungen zu den einzelnen Allgemeinverfügungen der Regierungen technisch so aufbereiten lassen, dass sie graphisch darstellbar sind.

Diese Informationen zu den Allgemeinverfügungen können über den Web Map Service (WMS) – einem standardisierten Geodatendienst – aufgerufen werden:

Und so funktioniert es

Durch Einbindung in den "BayernAtlas" (diese Einbindemöglichkeit ist über die Registerkarte "Bezug" und dann mit einem Klick auf den Schriftzug "In Bayernatlas" zur erreichen) können Sie nach Hinzufügung des gewünschten Regierungsbezirks-Layers die Daten zu den einzelnen Allgemeinverfügungen an den einzelnen Gewässern abrufen. Die Darstellung erfolgt ab einer Kartendarstellung größer 2km – erkennbar am linken unteren Rand. Wenn Sie mit der Computer-Maus auf die angezeigte Fläche klicken, erhalten Sie die Informationen zu den einzelnen – dort gemäß der gültigen Allgemeinverfügung geltenden – Regelungen.

Außerdem wurde zur Umsetzung des o.g. Landtagsbeschlusses unter Leitung des LfU ein mit Vertretern der Naturschutz-, Fischerei- und Jagdbehörden besetztes Fachgremium eingerichtet, das grundsätzliche fachliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der Kormoranproblematik behandelt. Das Gremium beantwortet offene Fragen und versucht für Konflikte, die vor Ort nicht lösbar erscheinen, ausgewogene Lösungsvorschläge zu entwickeln. Unter fachlicher Anleitung dieses Fachgremiums wurden vom Freistaat Bayern zwei Kormoranbeauftragte eingesetzt, die für die Teichwirtschaft sowie für den Fischartenschutz an Fließgewässern geeignete Lösungsansätze zur Verminderung der Konflikte erarbeiteten. Die Ergebnisse sind in den jeweiligen Berichten zu den Modellprojekten und in einem Leitfaden zum Kormoranmanagement dargestellt (s. Publikationen des LfU). In Zusammenarbeit mit der Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Fischerei baut das LfU ein Netzwerk an ehrenamtlichen Kormoranberatern auf. Mit Hilfe dieser geschulten Berater soll anhand der Erkenntnisse aus den Modellprojekten ein flächendeckendes Kormoranmanagement etabliert werden.

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