Sulzheimer Gipshügel in Unterfranken
Vertreter des Gesteins des Jahres 2022 in Bayern
Die Sulzheimer Gipshügel in Unterfranken zwischen Schweinfurt und Gerolzhofen wurden als Bayerns Vertreter für das Gestein des Jahres 2022 ausgewählt.
Das etwa 8,3 Hektar große Gebiet zeichnet sich durch ein lebhaftes Relief mit pilzförmigen Härtlingen aus Gips, Dolinen und Erdfalltrichtern aus. Auf den Gipshügeln konnte sich eine einzigartige Steppenvegetation entwickeln, die von großer ökologischer Bedeutung ist. Aufgrund dieser einmaligen Eigenschaften werden die Sulzheimer Gipshügel dieses Jahr vom Landesamt für Umwelt ausgezeichnet.
Wie entstehen Gips, Anhydrit und die Sulzheimer Gipshügel?
Die Gipsschichten in Bayern entstanden vor etwa 240 Millionen Jahren in der Zeit der Trias im mittleren Keuper. Zu dieser Zeit befand sich Süddeutschland am Randbereich eines flachen Meeres, dessen Küstenlinie sich ständig verlagerte. Pfannenartige Senken in diesem Bereich der Küste wurden episodisch überflutet und dampften bei trockenem und warmen Klima wiederholt ein. Dabei kristallisierten gelöste Stoffe im Meerwasser als Minerale aus. Es bildeten sich Gipsschichten.
Das Mineral Gips ist ein wasserhaltiges Calcium-Sulfat und kann bei steigenden Druck durch die Überlagerung jüngerer Sedimente ausgepresst werden. Diese Entwässerung (Dehydration) hat zur Folge, dass ein wasserfreies Calcium-Sulfat, der Anhydrit, entsteht. Daher kommt im Erdinneren unter normaler Überdeckung nur Anhydrit vor. Sobald die Schichten durch Hebung und/oder Abtragung wieder zur Erdoberfläche gelangen, verursachen eindringende Regen- und Grundwässer die Rückwandlung von Anhydrit zu Gips.
Die Sulzheimer Gipshügel sind durch Auslaugung des anstehenden Gipses entstanden. Gips ist ein relativ leicht lösliches Gestein. Sobald die Gipsschichten nicht mehr von wasserundurchlässigen Schichten bedeckt sind, dringt Grundwasser in den Gesteinskomplex und die Lösung beginnt. Zunächst entstehen Bachschwinden, Höhlensysteme und Karstquellen. Mit Vergrößerung der Hohlräume kommt es immer häufiger zum Einsturz mit plötzlichen Erdfällen an der Erdoberfläche. Wenn die Auslaugung voranschreitet, senken sich größere Bereiche und es bildet sich ein sogenanntes "Auslaugungstal". In diesem sind zunächst noch Restbuckel ("Gipshügel") erhalten. Sobald der Gips flächenhaft weggelöst ist, bleiben große Becken ohne oberirdischen Abfluss ("Subrosionssenken") zurück.
Gips entsteht als Besonderheit auch als Nebenprodukt in Rauchgasentschwefelungsanlagen (REA). Sogenannter REA-Gips bildet sich bei der Reaktion von Schwefeldioxid, ein Abgas aus beispielsweise Kohlekraftwerken, mit einer Calciumoxid- oder Calciumcarbonatsuspension in Gegenwart von Sauerstoff. Der so gewonnene Gips ist chemisch identisch mit dem in der Natur vorkommenden Gips.
Gips in Bayern
In Bayern kommen Gips- und Anhydritstein in den Schichten der Trias vor. Hauptsächlich im Mittleren Muschelkalk und im Mittleren Keuper (auch Gipskeuper genannt) entstanden die bayerischen Gipslagen. Die größten Gipsvorkommen befinden sich in Unter- und Mittelfranken. Es gibt aber auch kleinere Gipsvorkommen in den Alpen (Raibl-Formation).
Gipskeuper
Der Schichtfolge des fränkischen Gipskeupers beginnt über dem sogenannten Grenzdolomit (Erfurt-Formation) mit dem bis zu 10 Meter mächtigen "Grundgips" (Grabfeld-Formation). In darüber liegenden Sedimenten der Myophorien- und Estherienschichten (Grabfeld-Formation) sowie der Lehrbergschichten (Steigerwald-Formation) kommen viele Zentimeter- bis Dezimeter-dicke Gipslagen vor, die aufgrund ihrer geringen Mächtigkeit heute nicht mehr abgebaut werden. Aufgrund ihrer topografisch höheren Lage im Hang der großen Keuper-Schichtstufe am Westhang von Steigerwald und Hassbergen werden diese Vorkommen in Bayern früher auch als "Berggips" bezeichnet. Der Grundgips wurde und wird an vielen Stellen abgebaut, vor allem im Tagebau (Gips), aber auch untertage (Anhydrit bei Hüttenheim).
Mittlerer Muschelkalk
Die Sedimentation der im randlichen Becken des Muschelkalkes vorherrschenden Dolomite und Mergelkalke wurde durch die Bildung von teils bauwürdigen Sulfatlagen mehrfach unterbrochen. Im Gebiet östlich Bayreuth herrscht Gips und Anhydrit vor. Die mächtigen Sulfatlager des Oschenberges nördlich Döhlau wurden lange Zeit über- und untertage abgebaut.
Raibl-Formation
In der inhomogenen Abfolge der Raibl-Formation (linkes Bild) im bayerischen Alpenraum sind zwischen verschiedenen Sedimentgesteinen zum Teil auch Gipsvorkommen enthalten. Entstanden sind diese in der Obertrias. Sie lagern zwischen dem Wettersteinkalk und dem Hauptdolomit. Die Gipsvorkommen der Raibl-Formation wurden früher an vielen Stellen in den Alpen abgebaut. Im Werdenfelser Land war der Gipsabbau ein wichtiger Wirtschaftszweig. Gipsbrüche gab es direkt oberhalb von Partenkirchen, am Fuße des Wanks, sowie loisachabwärts am Höhenberg bei Oberau. Größere Brüche existierten außerdem bei Füssen im Faulenbachtal. Die Abbaustellen wurden renaturiert und sind heute nur noch kleine Teiche. Weitere Gipsbrüche sind im Schwarzenbachtal bei Lenggries und beim Silleck am Hochgern in den Chiemgauer Alpen bekannt.
Eine historische Besonderheit ist das 1795 entdeckte Vorkommen von besonders reinem Gips ("Alabaster") an der Kaumalpe unterhalb des Hochfelln bei Bergen, Mehrere Abbau-Versuche scheiterten aufgrund der schwierigen Geländeverhältnisse. Dennoch sind Kunstwerke bekannt, die aus diesem Alabaster hergestellt wurden. Heute sind die Gipsvorkommen der Raibl-Formation nicht mehr abbauwürdig (rechtes Bild).
Gips rund um Sulzheim und das Gipsinformationszentrum
Die Grundgipsschichten sind im Kreis Sulzheim breit aufgeschlossen. In Gebieten mit besonderer Mächtigkeit werden sie abgebaut, in anderen Bereichen, wo der Gips teilwiese ausgelaugt ist, haben sich Landschaften mit einem unruhigen Relief aus pilzförmigen Gips-Härtlingen gebildet. Dort findet man auch Dolinen bzw. verfüllte Erdfalltrichter. Eine in Deutschland einmalige Steppenflorengemeinschaft konnte sich hier entwickeln. Typische Pflanzen, die zu sehen sind, sind Federgras, Steppenwolfsmilch, Dänisches Tragant und Frühlings-Adonisröschen.
In Sulzheim wird der Gips seit Jahrhunderten gebrochen und verarbeitet. Die Geschichte, Kultur und Wirtschaft dieser Region ist eng mit dem Gips verbunden. Häuser und Scheunen bestehen hier aus Gipsgestein. Sogar die örtliche Unkenmühle mahlte nachweislich schon im 16. Jahrhundert Gips zu Pulver. Und das 1948 gegründete Gipswerk entwickelte sich zum wichtigsten Arbeitgeber des Dorfs. 2007 wurde in Sulzheim das Gipsinformationszentrum (GIZ) eröffnet. Es befindet sich in einem Teil der ehemaligen Zehntscheune des Klosters Ebrach, welche aufwendig saniert und zum Museum umgebaut wurde. Im schön gestaltetem Innen- und Außengelände kann hier alles rund um den Gips studiert werden. Am GIZ beginnt außerdem ein sieben Kilometer langer Gipslehrpfad. Er führt durch die Sulzheimer Flur, vorbei an Geotopen (u.a. Sulzheimer Gipshügel) sowie aktiven und renaturierten Gipsbrüchen und ist mit insgesamt fünf Informationstafeln versehen.
Verwendung von Gips
Gips ist einer der ältesten Rohstoffe und wird seit Jahrtausenden vielseitig verwendet.
Skulpturen, Büsten und Gipsfiguren wurden schon in der Antike aus diesem Rohstoff hergestellt. In der Bauindustrie wird vorwiegend REA-Gips für Gipswandbauplatten und Gipskartonplatten für den Trockenbau verwendet. Gips dient außerdem als Grundstoff für verschiedene Putze, Spachtelmassen und Trockenestriche, daneben dient er auch als Füllmittel. Durch Vermengen mit Kalk erzeugt man für Putz-, Mauer- und Stuckarbeiten Gipskalk, der länger als reiner Stuckgips zu verarbeiten ist. In der Medizin dient Gips zur Herstellung von Gipsumschlägen und in der Zahntechnik ist Gips der wichtigste Rohstoff für Dentalgipse, die zur Herstellung von Modellen dienen. In der Papierindustrie wird dieses Mineral als Zuschlagstoff für die Erzeugung von Papier eingesetzt. Und in der Landwirtschaft kommt Gips als Düngemittel zum Einsatz.
Durch den geplanten Kohleausstieg und den Wegfall des bei der Rauchgasentschwefelung der Kraftwerke entstehenden REA-Gipses, wird es in Zukunft zu einem erhöhten Bedarf der Nutzung natürlicher Gipslagerstätten kommen.