Fließgewässer

Die im Rahmen des Versauerungsmonitorings überwachten Fließgewässer zeigen alle Anzeichen einer Erholung. Die Änderungen beim pH-Wert finden allerdings in unterschiedlicher Geschwindigkeit und auf sehr verschiedenen Niveaus statt. Während beispielsweise der Hochfallbach im Bayerischen Wald bereits annährend neutrale pH-Werte erreicht (Abb. 1), ist der Zinnbach im Fichtelgebirge noch immer stark versauert und erholt sich nur langsam (Abb. 2). Von den untersuchten Fließgewässern ist der Zinnbach noch am stärksten versauert. Im Einzugsgebiet des Zinnbach wurde zu früheren Zeiten Zinn abgebaut, weshalb der stark saure Zustand auch geogene Ursachen hat.

Zeitliche Entwicklung des pH-Wertes im Fließgewässer Zinnbach im Fichtelgebirge. Der pH-Wert beträgt zu Beginn der Untersuchungen Ende der 1980er Jahre im Mittel ca. 4,1 und steigt danach bis 2013 auf einen Wert von ca. 4,4 an.Abb. 2: Zeitliche Entwicklung des pH-Wertes im Fließgewässer Zinnbach (Messwerte – grau; Jahresmittel – blau; Jahresmittel unvollständig – hellblau).

Bei Fließgewässern werden oft Säureschübe beobachtet, welche besonders zur Schneeschmelze im Frühjahr auftreten. Dies lässt sich gut an der Messstelle am Sagwasser im Bayerischen Wald erkennen, wenn man die dortigen pH-Messungen nach Monaten bzw. Jahreszeiten gruppiert (Abb. 3). In der Abbildung ist für jeden Monat ein Boxplot eingezeichnet, welcher über die Größe der Box den mittleren Wertebereich (50% der Messwerte) des pH-Wertes darstellt und über die Längen der Striche oben und unten (Whisker) die Streuung der extremen Werte wiedergibt.

Im Monat April ist der pH-Wert dort im Schnitt ca. eine pH-Einheit niedriger. Die Spitzen der Säureschübe reichen bis pH 4 und sind sogar um ca. 1,5 pH-Einheiten niedriger als im restlichen Jahr.

Im linken Teil der Graphik sind die pH-Werte der Messstelle Sagwasser für den Gesamtzeitraum in monatsweisen Boxplots dargestellt. Dabei zeigt sich für die meisten Monate ein gleichbleibender Median des pH-Wertes von ca. 6,4. Nur die Monate März und Mai liegen bei ca. 6,1 und der Monat April liegt noch tiefer bei 5,5. Dies spiegelt auch der rechte Teil der Graphik wieder in dem die pH-Werte nach Jahreszeiten in Boxplots aufgetragen sind. Dort liegt der pH-Wert des Frühlings mit ca. 5,9 signifikant tiefer als die drei anderen Jahreszeiten.Abb. 3: Monatsweise (links) und jahreszeitliche (rechts) Darstellung der pH-Werte an der Fließgewässer Messstelle Sagwasser über den Gesamtzeitraum.

Dies lässt sich auch in der jahreszeitlichen Gruppierung erkennen, in der das Frühjahr signifikant tiefere pH-Werte aufweist als die übrigen Jahreszeiten.

In der Graphik sind die pH-Werte der Messstelle Sagwasser für für vier Zeiträume (1975-1984, 1985-1994, 1995-2004 und 2005-2013) in jahreszeitlichen Boxplots dargestellt. Dort zeigt sich in allen vier Zeiträumen, dass der pH-Wert des Frühlings mit jeweils deutlich tiefer liegt, als in den drei anderen Jahreszeiten. Zudem zeigt sich auch hier eine Zunahme der pH-Werte mit der Zeit sowie eine Abnahme der Säureschübe.Abb. 4: Jahreszeitliche Darstellung der pH-Werte an der Fließgewässer Messstelle Sagwasser in vier Zeitabschnitten (Zahl im Boxplot - Anzahl der Messwerte).

Die Säureschübe treten meist nur über einen kurzen Zeitraum auf. Für die Erholung der Fließgewässer ist es nicht nur wichtig, dass der mittlere pH-Wert zunimmt, sondern auch, dass die Spitzen der Säureschübe weniger extrem ausfallen. Eine nach Jahreszeiten getrennte Darstellung über vier Zeitabschnitte erlaubt hierzu Aussagen (Abb. 4). Für das abgebildete Fließgewässer Sagwasser liegen für den Zeitraum vor 1985 nur wenige Messwerte vor, so dass der erste Zeitabschnitt nur eingeschränkt mit den darauf folgenden vergleichbar ist. Betrachtet man die Entwicklung der Säureschübe im Frühjahr, so ist ein deutlicher Rückgang vom Zeitraum 1985-1994 bis zum Zeitraum 2005-2013 zu erkennen. Besonders gut lässt sich dies an der unteren Grenze des Boxplot Whiskers nachvollziehen, welche von ca. pH 4 auf pH 5,3 im aktuellen Zeitraum zunimmt. Dies ist für die Lebewesen in den Gewässern sehr positiv, da viele Organismen auf Säure besonders empfindlich reagieren.

Ein besonders wichtiger Parameter im Hinblick auf die Biologie der Fließgewässer ist die Aluminiumkonzentration. Diese ist in vielen Fließgewässern signifikant fallend oder befindet sich auf annährend gleichbleibend niedrigem Niveau (Abb. 5). Die im Zinnbach (Abb. 6) aktuell noch gemessene Konzentration von 0,9 mg/l ist die Höchste in allen untersuchten Fließgewässern. Der weiterhin deutlich abnehmende Trend zeigt, dass dieses Gewässer noch mehr Zeit zur Erholung benötigt.

Zeitliche Entwicklung der Aluminiumkonzentration im Fließgewässer Zinnbach im Fichtelgebirge. Die Aluminiumkonzentration beträgt zu Beginn der Untersuchungen Ende der 1980er Jahre im Mittel etwas über 2 mg/l und sinkt danach bis 2013 kontinuierlich auf einen Wert von ca. 0,9 mg/l ab.Abb. 6: Zeitliche Entwicklung der Aluminiumkonzentration im Fließgewässer Zinnbach (Messwerte – grau; Jahresmittel – blau; Jahresmittel unvollständig – hellblau).

Die für das Aluminium getroffenen Aussagen sind in analoger Art und Weise auch für die Sulfatkonzentration im Hochfallbach (Abb. 7) und im Zinnbach (Abb. 8) gültig. Die Fließgewässer, die bereits ein niedriges Niveau erreicht haben, zeigen nur noch leicht abnehmende bis gleichbleibende Tendenz, während bei denen mit höherem Niveau ein stärker abnehmender Trend erkennbar ist. Auffällig ist zudem, dass die Schwankungsbreite der Sulfatkonzentration im Laufe der 1990er Jahre an vielen Fließgewässern abnimmt und die Werte ab diesem Zeitpunkt nur noch in einem sehr engen Korridor variieren.

Zeitliche Entwicklung der Sulfatkonzentration im Fließgewässer Zinnbach im Fichtelgebirge. Die Sulfatkonzentration beträgt zu Beginn der Untersuchungen Ende der 1980er Jahre im Mittel ca. 25-30 mg/l und sinkt danach bis 2013 kontinuierlich auf einen Wert von ca. 13 mg/l ab.Abb. 8: Zeitliche Entwicklung der Sulfatkonzentration im Fließgewässer Zinnbach (Messwerte – grau; Jahresmittel – blau; Jahresmittel unvollständig – hellblau).

Ein interessantes Phänomen ist die Zunahme des spektralen Absorptionskoeffizienten (254 nm) an fast allen Fließgewässermessstellen (Abb. 9). Dieser Anstieg spiegelt die Zunahme des gelösten organischen Kohlenstoffs wider, welcher im Rahmen des Monitorings nicht flächendeckend gemessen wurde. An der Messstelle Zinnbach lässt sich jedoch deutlich der Bezug zwischen spektralem Absorptionskoeffizienten (254 nm) und Konzentration an gelöstem organischem Kohlenstoff (DOC) erkennen (Abb. 10). Der Anstieg der DOC-Konzentration scheint hier durch die Erholung von der Versauerung initiiert zu sein.

Zeitliche Entwicklung der DOC (TOC) Konzentration im Fließgewässer Zinnbach im Fichtelgebirge. Die DOC (TOC) Konzentration beträgt zu Beginn der Untersuchungen Ende der 1980er Jahre im Mittel ca. 4-5 mg/l und steigt danach bis 2013 kontinuierlich auf einen Wert von ca. 8-9 mg/l an.Abb. 10: Zeitliche Entwicklung der DOC (TOC)-Konzentration im Fließgewässer Zinnbach (Messwerte – grau; Jahresmittel – blau; Jahresmittel unvollständig – hellblau).

Ein vollständiges Bild des tatsächlichen Zustandes der Fließgewässer lässt sich allerdings rein auf Basis chemischer Messgrößen nicht gewinnen. Daher haben Biologische Verfahren bei der Indikation von Versauerung in Fließgewässern eine lange Tradition. Sie haben gegenüber chemischen Untersuchungen zwei entscheidende Vorteile:

  • Sie spiegeln den Zustand des Gewässers über einen längeren Zeitraum hinweg wider
  • Sie integrieren alle Umwelteinflüsse und geben so den Gesamtzustand wieder

Dies ist für die Bewertung des Zustands der Gewässer von entscheidender Bedeutung, denn chemische Analysen können immer nur die Qualität zum Zeitpunkt der Beprobung und auch nur für die gemessenen Parameter wiedergeben. Daher sind biologische Verfahren auch ein essentieller Bestandteil des Versauerungsmonitorings und werden seit Beginn der Untersuchungen regelmäßig eingesetzt. Bereits zu Beginn der Untersuchungen 1982 wurde an den ersten Fließgewässern des Versauerungsmonitorings das Makrozoobenthos als biologische Komponente untersucht und ausgewertet. Als weiterer Indikator der Versauerung kamen 1994 die Diatomeen (Kieselalgen) hinzu, so dass zwei verschiedene biologische Indikationssysteme zur Bewertung des Versauerungszustands zur Verfügung stehen.

Nachfolgend ist exemplarisch die zeitliche Entwicklung der Säurezustandsklasse (SZK) des Makrozoobenthos am Hochfallbach dargestellt (Abb. 11). Die Skala der SZK umfasst den Wertebereich von 1 bis 5, wobei niedrigere SZK einem besseren Zustand des Gewässers entsprechen. Die farbliche Kennzeichnung der Punkte gibt die Jahreszeit der Untersuchung wieder – Frühling (grün: März, April, Mai) und Sommer (gelb: Juni, Juli, August). Zusätzlich ist das Ergebnis der statistischen Tests angegeben, welche beispielsweise für den Hochfallbach eine signifikante Verbesserung (p=0,1) bestätigen.

Zeitliche Entwicklung der Säurezustandsklasse des Makrozoobenthos im Fließgewässer Hochfallbach im Bayerischen Wald. Die Säurezustandsklasse liegt zu Beginn der Untersuchungen Mitte der 1990er Jahre bei 3 bis 4 und sinkt danach bis 2012 auf einen Wert von 2 ab.Abb. 11: Zeitliche Entwicklung der Säurezustandsklasse des Makrozoobenthos an der Fließgewässer-Messstelle Hochfallbach (grün – Frühling; gelb – Sommer).

An insgesamt 14 der 26 Messstellen ließ sich eine Verbesserung der Säurezustandsklasse statistisch absichern.

Die zeitliche Entwicklung des Acidity-Index (ACID) der Diatomeen ist im Folgenden exemplarisch für den Zinnbach graphisch dargestellt (Abb. 12). Der Werte des ACID können zwischen 0 und 10 liegen. Anders als bei der SZK entsprechen beim ACID höhere Werte einem besseren Zustand des Gewässers. Die farbliche Kennzeichnung der Punkte gibt die Jahreszeit der Untersuchung wieder – Frühling (grün: März, April, Mai) und Herbst (rot: September, Oktober, November). Zusätzlich ist das Ergebnis des Trendtests in der Graphik angegeben, welcher für den Zinnbach keine signifikante Änderung zeigt.

Zeitliche Entwicklung des Acidity-Index (ACID) der Diatomeen im Fließgewässer Zinnbach im Fichtelgebirge. Der Acidity-Index liegt zu Beginn der Untersuchungen Mitte der 1990er Jahre bei ca. 1 und nimmt danach bis 2010 keine signifikanten Änderungen.Abb. 12: Zeitliche Entwicklung des Acidity-Index (ACID) der Diatomeen an der Fließgewässer Messstelle Zinnbach (grün – Frühling; rotbraun – Herbst).

Insgesamt konnte über den Acidity-Index der Diatomeen nur an 6 von 24 Messstellen eine signifikante Verbesserung des Versauerungszustands belegt werden. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Beobachtungszeitraum im Vergleich zum Makrozoobenthos in der Regel deutlich kürzer war und manche Messreihen nur aus wenigen Einzelwerten bestehen, so dass statistisch signifikante Änderungen schwer zu belegen sind.

Die Erholung der Fließgewässer von der Versauerung ist somit durch beide biologische Indikatoren nachweisbar und belegt den positiven Trend der meisten Fließgewässer.

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