Medizinisch-Toxikologische Untersuchungen

Aquatische Organismen sind in ihrem Lebensraum Gewässer den unterschiedlichsten Umwelteinflüssen ausgesetzt. Zahlreiche natürliche aber auch anthropogen bedingte Faktoren wirken sich negativ auf die Tiergesundheit aus. Fische stellen als Endglieder der Nahrungskette wichtige Indikatoren für eine Schadstoffbelastung dar.

Auch ungünstige chemisch-physikalische Bedingungen im Gewässer, maschinelle Eingriffe in das Ökosystem oder Infektionserreger beeinflussen den Gesundheitszustand von Fischen und anderen aquatischen Lebewesen. Eine Beurteilung der Tiergesundheit anhand medizinisch-toxikologischer Untersuchungsmethoden wie Hämatologie, Pathologie, Gentoxikologie sowie der Analyse spezifischer Biomarker ermöglichen eine Charakterisierung des Schadgeschehens und dienen der Ermittlung von schädlichen Umwelteinflüssen.

Pathologische Untersuchungen bei Fischen

Schadstoffe und ungünstige Umweltbedingungen sowie infektiöse Krankheitserreger können die Gesundheit von Wassertieren wie zum Beispiel Fischen und Amphibien nachhaltig schädigen oder sogar zu deren Tod führen. Auch am Wasser lebende Säugetiere können von Eingriffen in die Natur betroffen sein. Pathologische Untersuchungen dienen der Ermittlung des Wesens und der Ursache von Erkrankungen und Schadbildern.

Pathologische Untersuchungen im engeren Sinne beinhalten zunächst eine Sektion verstorbener Tiere. Dabei werden die Körperoberfläche und alle Organsysteme auf Veränderungen hin untersucht. Viele Krankheitssymptome sind jedoch nicht mit dem bloßen Auge sichtbar. Mikroskopische Untersuchungen an nativen und histologischen Organpräparaten ermöglichen eine Diagnose krankhafter Befunde auf der Organ- und Zellebene.

Am LfU werden pathologische Untersuchungen zur Erfassung langfristiger toxischer Wirkungen von Spurenstoffen wie zum Beispiel Arzneimitteln und Umwelthormonen herangezogen. Aufgrund der erhobenen Daten ist eine Bewertung des von umweltrelevanten Schadstoffen ausgehenden Risikos für aquatische Organismen möglich.

Histologische Aufnahme des Nierengewebes einer Bachforelle. (A) Unverändertes Nierengewebe (B) Schadstoffbedingte Nierenveränderungen Histologische Aufnahme des Nierengewebes einer Bachforelle. (A) Unverändertes Nierengewebe (B) Schadstoffbedingte Nierenveränderungen

Die in ökotoxikologischen Standardtests berücksichtigten Endpunkte, Letalität und Reproduktion, erweisen sich häufig als nicht ausreichend empfindlich zur Ermittlung der tatsächlichen, von diesen Stoffen ausgehenden Risiken. Histopathologische Untersuchungen an Fischen haben sich als sensibles Instrument zum Nachweis subletaler Schadstoffwirkungen erwiesen. Zur Ermittlung von Wirkschwellen ist es erforderlich, qualitative histopathologische Veränderungen, die durch Schadstoffe induziert werden, zu quantifizieren. Moderne computergestützte Methoden der Morphometrie bzw. Stereologie, wie sie in biomedizinischen Bereichen, wie z.B. Pharmakologie und Toxikopathologie zur Anwendung kommen, eröffnen die Möglichkeit einer Quantifizierung pathologischer Befunde nicht nur in der Fläche, sondern dreidimensional. Hierdurch werden die Daten einer statistischen Auswertung zugänglich gemacht, auf deren Basis ökotoxikologische Schwellenwerte abgeleitet werden können. Dadurch wird die Aussagekraft und Sensitivität histopathologischer Untersuchungen bei der Früherkennung von Schadstoffwirkungen als auch zur Festlegung realistischer Qualitätsnormen für umweltrelevante Substanzen deutlich erhöht.

Nicht immer sind Umweltchemikalien die Verursacher von Schädigungen an Fischen und anderen Wassertieren. So ist es wichtig, schadstoffbedingte Veränderungen von Krankheitsbildern anderer Ursache abzugrenzen. Insbesondere bei der Bearbeitung von Fischsterben müssen bei entsprechender Symptomatik neben pathologischen Untersuchungen und chemischen Rückstandsanalysen auch parasitologische, bakteriologische und virologische Untersuchungen angeschlossen werden um das Vorliegen infektiöser Fischkrankheiten abzuklären.

Darüber hinaus wird die Pathologie auch zur Bearbeitung anderer Fragen des Gewässerschutzes eingesetzt. So dient sie als wertvolles diagnostisches Instrument zur Klärung der für den Rückgang bestimmter einheimischer Fisch-, Amphibien- oder Muschelarten verantwortlichen Ursachen.

Blutuntersuchungen

Die Gesundheit von Fischen kann durch ungünstige Umweltbedingungen, Schadstoffe und bakteriologische, virologische und parasitologische Krankheitserreger beeinträchtigt werden. Um entsprechende Krankheitsbilder zu erkennen, können auch bei Fischen Blutuntersuchungen zu Diagnosezwecken herangezogen werden. Insbesondere bei der Ermittlung von Schadstoffwirkungen kommt hämatologischen und klinisch-chemischen Untersuchungen eine große Bedeutung zu. Sowohl Auswirkungen auf die Blutzellen wie auch auf chemische und biochemische Blutbestandteile werden dabei erfasst.

Die Blutentnahme erfolgt bei Fischen unter Betäubung durch Punktion der Schwanzvene (Vena caudalis). Um eine Blutgerinnung zu verhindern, wird den Blutproben in der Regel ein Antikoagulans zugesetzt. Wie in der Human- und Säugetiermedizin können auch bei Fischen die in der Diagnostik üblichen hämatologischen und klinisch-chemischen Blutparameter bestimmt werden. So liefert beispielsweise die Auswertung des Differentialblutbildes wichtige Hinweise auf den Zustand weißer Blutkörperchen und das Vorliegen entzündlicher Reaktionen.
Veränderungen bestimmter Enzymwerte im Blutplasma lassen auf spezifische Organschäden schließen. Erhöhte oder erniedrigte Konzentrationen von Blutinhaltsstoffen wie z.B. Cholesterin oder Glukose dienen der Ermittlung von Stoffwechselstörungen.

Biomarkeruntersuchungen

Um die Wirkung eines erweiterten Stoffspektrums gewässerrelevanter Inhaltsstoffe auf aquatische Lebensgemeinschaften zu erfassen, ist der Einsatz von Biomarkern zukunftsweisend.

Biomarker sind biochemische Reaktionen auf Belastungen und Schädigungen von Organismen durch Umweltchemikalien. Ihre Bildung setzt bereits vor einer Schädigung des Organismus ein, wodurch sie im Rahmen langfristiger Umweltbeobachtungen als Frühwarnsystem dienen können. Die Stärke der Induktion eines Biomarkers dient als Maß der Auseinandersetzung des Organismus mit dem bioverfügbaren Teil aufgenommener Stoffgemische unter den gegebenen Milieubedingungen.

Je nachdem werden Biomarker entweder in Blutproben, Organproben oder kompletten Organismen nachgewiesen. Am LfU werden Biomarker auf der Proteinebene anhand serologischer Verfahren bestimmt.

So wird im Rahmen der technischen Gewässeraufsicht der Biomarker Vitellogenin routinemäßig zum Nachweis östrogener Wirkungen in Oberflächengewässern und Kläranlagen eingesetzt. Eine Induktion des Biomarkers Vitellogenin stellt eine biologische Reaktion auf die Summe aller vorhandenen östrogen wirksamen Substanzen über den gesamten Expositionszeitraum dar. Somit handelt es sich dabei nicht um eine Momentaufnahme, sondern es werden auch kurzfristige Belastungsspitzen miterfasst. Im Falle einer positiven Biomarker-Reaktion werden die hierfür verantwortlichen Substanzen anhand chemischer Analysen identifiziert. Neben diesem sehr spezifischen Biomarker liefert die Bestimmung verschiedener Hitzeschockproteine (wie z.B. HSP70) Hinweise auf eine unspezifische Stressreaktion von Organismen.

Gentoxikologische Untersuchungen

Die Durchführung von gentoxikologischen Untersuchungen an lebenden Fischen bieten ein hohes Maß an Wirklichkeitsnähe und Sensitivität bei der ökotoxikologischen Prüfung von Einzelstoffen, Stoffgemischen und Abwasserproben. Studien auf chromosomaler Ebene dienen der Ermittlung mutagener bzw. gentoxischer Wirkungen von Umweltchemikalien.

Die häufigste Fischart, die für zytogenetische Studie verwendet wird, stellt der Amerikanische Hundsfisch (Umbra pygmaea) dar. Dieser verfügt über einen Karyotyp, der durch eine geringe Anzahl relativ großer Chromosomen (2n=22) charakterisiert ist, wodurch chromosomale Veränderungen gut sichtbar gemacht werden können.

Als Testmethode dient in erster Linie der SCE-Test. Als Indikatortests liefert er Hinweise auf Effekte an der DNA, die Mutationen vorausgehen oder sie begleiten können.

Abbildung der Metaphase-Chromosomen eines Hundsfisches mit erkennbarem Schwesterchromatid-Austausch nach Einwirkung von Malachitgrün. Schwesterchromatid-Austausch nach Einwirkung von Malachitgrün

Die Verwendung von Fischeiern bzw. Fischembryonen als Testsysteme stellt eine Alternative zum herkömmliche Tierversuch mit Fischen dar. Große Bedeutung hat dabei ebenfalls die Auswahl einer bezüglich ihres Karyotypes geeigneten Fischspezies. Eine Verwendung von Dauerlaichern als Elterntiere bietet zudem die Möglichkeit, den Bedarf an Untersuchungsmaterial saisonal unabhängig zu decken. Durch eine in der Regel hohe Anzahl von Eiern eines Fischgeleges und die dadurch zur Verfügung stehenden gleichaltrigen Geschwistereier wird eine optimale Vergleichbarkeit von parallelen Untersuchungsergebnissen gewährleistet. Insbesondere die Eier des Zebrabuntbarsches (Cichlasoma nigrofasciatum) sind geeignet, gentoxikologische Untersuchungen durchzuführen.

Teilen