Risikoabwägung
Einen absoluten Schutz vor Naturgefahren kann es nicht geben. Aufgrund der vielfältigen Einflussfaktoren sowie zahlreicher Beteiligter ist ein integraler Ansatz für ein erfolgreiches Risikomanagement notwendig. Hierbei wird angestrebt, Risiken mit einer optimalen Kombination aus technisch, ökonomisch, gesellschaftlich und ökologisch vertretbaren Schutzmaßnahmen zu reduzieren und mit dem verbleibenden Risiko bestmöglich umzugehen. Vereinfacht gesagt bedeutet Risikomanagement, dass die Gefahren teilweise abgewehrt werden und die Gesellschaft bewusst, aber umsichtig mit den verbleibenden Risiken lebt.
Schutzmaßnahmen gegen Naturgefahren, wie Hochwasser, werden auf der Basis einer gewissen Risikoabwägung ergriffen. Die Hauptelemente der Risikoabwägung sind folgende drei Fragen:
Was kann passieren?
In einem ersten Schritt gilt es zu klären, welche Gefahren an welchen Orten auftreten können. Anschließend werden, in Form einer Risikoanalyse, die möglichen Schäden in den gefährdeten Gebieten ermittelt.
Was darf passieren?
Mit einer Risikobewertung wird geklärt, welches Risiko die betroffene Gemeinschaft (noch) akzeptiert. Die Festlegung darüber "was passieren darf" basiert auf der unterschiedlichen Risikowahrnehmung der beteiligten Akteure und ist ein sehr komplexer gesellschaftlich-politischer Prozess. Insgesamt hat sich in Bayern über die Jahrzehnte politisch und rechtlich herauskristallisiert, dass Siedlungsbereiche in der Regel vor 100-jährlichen Hochwasserereignissen geschützt werden sollen.
Was ist zu tun?
Wenn die Betroffenen das vorhandene Hochwasserrisiko nicht akzeptieren, stellt sich die Frage nach den Möglichkeiten zur Verringerung dieses Risikos ("Was ist zu tun?"). Die grundsätzlichen Ansatzpunkte zur Risikominderung sind zum einen die Reduzierung der Schadensanfälligkeit und zum anderen die Verringerung oder Umlenkung der Gefahr. Ein modernes Risikomanagement zeichnet sich dadurch aus, dass mehrere Maßnahmen kombiniert und zahlreiche Beteiligte einbezogen werden, um das Risiko zu verringern.
Exkurs: Risikomanagement im Alltag
Unser Leben ist voller Risiken und der Umgang damit gehört zum Alltag. Wir betreiben jeden Tag, meist sogar unbewusst, Risikomanagement und wägen Aufwand und Nutzen einer Handlung ab. Ein Beispiel hierfür ist das Autofahren: Zugunsten der Vorteile, die uns die Mobilität bietet, nehmen wir die Risiken in Kauf und haben gelernt damit umzugehen. Der Mensch hat das Risikomanagement im Bereich des Autofahrens nahezu optimiert. Wie auch beim Hochwasserschutz, wird das Risiko handhabbar, wenn alle Komponenten des Risikokreislaufs ineinandergreifen. Hierzu muss jeder Akteur seine Verantwortung wahrnehmen: Von Staat und Kommunen (Straßenbau, rechtliche Rahmenbedingungen), über den Rettungsdienst und die Wirtschaft (Sicherheit von Fahrzeugen, Versicherungen), bis hin zu jedem einzelnen Autofahrer, der sein Risiko, zum Beispiel durch korrektes Verhalten im Straßenverkehr, beeinflusst.
Beim Vergleich der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Hochwassers mit unterschiedlichen Alltagsrisiken wird deutlich, dass unsere persönliche Risikowahrnehmung nicht immer dem tatsächlichen "objektiven" Risiko entspricht. So beeinflussen unter anderem unsere individuellen Erfahrungen mit einer Gefahr die Wahrnehmung eines zukünftigen Risikos. Auch die Berichterstattung in den Medien prägt unsere Wahrnehmung von Risiken. Weiterhin gibt es Faktoren, die zu einer Verringerung der Risikowahrnehmung führen, wie beispielsweise der Gewöhnungseffekt gegenüber einer Naturgefahr, der eine Abstumpfung bewirken kann. Die persönliche Risikowahrnehmung bestimmt letztendlich auch, ob wir Maßnahmen der Eigenvorsorge für notwendig erachten und ergreifen, oder nicht. Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Autounfall zu verunglücken ist geringer, als die Eintrittswahrscheinlichkeit eines 150-jährlichen Hochwassers. Während die meisten Menschen wahrscheinlich wissen, wie sie sich bei einem Autounfall zu verhalten haben, bleibt fraglich ob auch allen Betroffenen das richtige Verhalten im Hochwasserfall bekannt ist.
Ereignis | Bezugsgröße | Wahrscheinlichkeit, Ereignis innerhalb eines Menschenlebens zu erleben in % |
---|---|---|
Tod durch Blitzschlag | Deutschland (jährlicher Maximalwert) | 0,001 |
Erleben eines HQ1000 (oder größer) | Flussanwohner | 8 |
Erleben eines HQ500 (oder größer) | Flussanwohner | 15 |
Verunglücken mit PKW (mit leichter, schwerer Verletzung oder Todesfolge) | bei 10.000 gefahrenen km/Jahr (Deutschland 2012) | 18 |
Vergiftung | Deutschland | 33 |
Erleben eines HQ150 (oder größer) | Flussanwohner | 41 |
Unfall am Arbeitsplatz | Erwerbstätige in Deutschland | 45 |
Verletzen beim Skifahren | Skifahrer Deutschland (Saison 2012/2013) | 46 |
Erleben eines HQ100 (oder größer) | Flussanwohner | 55 |
Unfall beim Sport | Deutschland (2000) | 68 |
Erleben eines HQ10 (oder größer) | Flussanwohner | 80 |
* Beim Tod durch Blitzschlag, Erleben eines HQx, Verunglücken mit PkW und bei Vergiftung, wurde die Wahrscheinlichkeit für 80 Jahre berechnet, bei Skiverletzungen und Sportunfall für 60 Jahre, beim Unfall am Arbeitsplatz, für 45 Jahre berechnet.