Bewertungsverfahren
Bewertung des ökologischen Zustandes
Die EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) sieht die Bewertung des ökologischen und des chemischen Zustands der Seen vor. Der ökologische Zustand soll auf der Basis der Artenzusammensetzung und Abundanz (Häufigkeit) der Biozönosen der folgenden vier biologischen Qualitätskomponenten erfolgen:
- Phytoplankton (zusätzlich Biomasse, Massenentwicklungen) – freischwebende Algen und photosynthetisch aktive Bakterien
- Makrophyten & Phytobenthos – substrat- und bodengebundene Wasserpflanzen und Algen
- Makrozoobenthos – wirbellose Kleintiere des Gewässerbodens
- Fische (zusätzlich Altersaufbau)
Die Bewertung des Zooplanktons ist in der WRRL nicht vorgesehen.
Die ökologische Bewertung der Biokomponenten erfolgt in den fünf Zustandsklassen sehr gut (Referenz), gut, mäßig, unbefriedigend und schlecht. Ziel der WRRL ist die Erreichung des guten Zustands an allen Gewässern. Wenn die Zustandsklasse eines Gewässers nach der ersten Bewertung durch die Biokomponenten mäßig, unbefriedigend oder schlecht ist, müssen Maßnahmen ergriffen werden, die eine Verbesserung des Gewässers hin zum guten Zustand bewirken. Bei keinem Gewässer darf sich der Zustand verschlechtern.
Die biologische Bewertung hat typspezifisch zu erfolgen, d h. für die vier biologischen Qualitätselemente waren ökoregionale sowie naturraum- und gewässerspezifische Typen zu definieren. Diese Typen unterscheiden sich bzgl. der unter naturnahen Bedingungen vorherrschenden Lebensgrundlagen (Referenzbedingungen). Die Referenzen für die Biologie repräsentieren einen sehr guten (naturnahen) Status, der gute Zustand eine geringe Abweichung davon. Als Arbeitsgrundlage wurden dazu bundesweit allgemeine Gewässertypen festgelegt. Die für Bayern relevanten Seetypen finden sich unter:
In jedem Seetyp gibt es eigene biologische Referenzgesellschaften, die miteinander nicht vergleichbar sind. Zum Beispiel ist sowohl der Königssee als auch der Langbürgner See ein Referenzsee, d.h. im naturnahen Zustand. Aber beide Seen haben natürlicherweise ganz unterschiedliche Biozönosen und sind somit unterschiedlichen Typen zugeordnet. Der Königssee ist ein geschichteter Alpensee (Typ 4) und der Langbürgner See gehört zum Typ 2 geschichteter Alpenvorlandsee mit relativ großem Einzugsgebiet.
Um Informationen über die Referenzzustände der unterschiedlichen Biozönosen in den einzelnen Typen zu erhalten, können verschiedene Methoden herangezogen werden. Für Seen ist die Untersuchung von Sedimentkernen eine oft verwendete Methode, da sich in den Sedimentschichten biologische Reste aus vergangenen Zeiten ablagern. Über Datierungen der Schichten, Identifizierung der Reste und Zuordnung zu bestimmten Arten, können Aussagen zu historischen Lebensbedingungen getroffen werden, wenn das "ökologische Profil" einer Art bekannt ist. Beispiele für solche Untersuchungen finden sich in der Rubrik Karten, Berichte, Veröffentlichungen (siehe linke Seite).
Die ökologische Bewertung der Einzelkomponenten wird am Ende zu einer ökologischen Gesamtaussage nach dem Worst Case Verfahren verschnitten, d.h. die schlechteste Einzelbewertung ergibt die Gesamtbewertung.
Die ökologische Bewertung ist eine allgemein ökologische Betrachtung der Gewässer, d.h. ob die Biozönosen in Zusammensetzung und Menge einem naturnahen oder -fernen Zustand entsprechen. In Kombination des bisherigen Wissens über diese Biokomponenten, die oben beschriebenen bisherigen Verfahren und der im Jahr 2004 erstellten Bestandsaufnahme mit Beschreibung der Belastungssituation der Gewässer, soll der ökologische Zustand der einzelnen Biokomponenten auch Auskunft über die ökologische Wirkung der Belastungen und somit Hinweise für die Gewässerschutzmaßnahmen ermöglichen.
Unterstützt wird die ökologische Bewertung durch die Erhebung allgemeiner chemisch-physikalischer und hydromorphologischer Kriterien, wie sie bereits seit langem im wasserwirtschaftlichen Seenmonitoring Verwendung finden. Die Bewertung dieser Kriterien ermöglicht Aussagen über die allgemeinen Lebensbedingungen für Organismen in Seen.
Zusätzlich werden zur Bewertung des ökologischen Zustands Stoffe aus der Liste der „flussgebietsspezifischen Schadstoffe“ untersucht, wenn sie in signifikanten Mengen in den Seewasserkörper eingeleitet oder eingetragen werden. Sie dürfen die in der Oberflächengewässerverordnung (OGewV) europaweit festgelegten Grenzwerte, auch Umweltqualitätsnorm (UQN) genannt, nicht überschreiten.
Weitere Informationen zur Bewertung des ökologischen Zustands unter:
Bewertung des chemischen Zustands
Die Bewertung des chemischen Zustands nach WRRL geschieht über die Messung von Konzentrationen relevanter organischer und anorganischer Schadstoffe, die in Stofflisten (prioritäre Schadstoffe) vorgegeben sind. Diese Stoffe sind zu untersuchen, wenn sie in die Seewasserkörper eingeleitet oder eingetragen werden, was in Seen möglicherweise über die Luft (zum Beispiel Quecksilber) oder Zuläufe (zum Beispiel Pflanzenschutzmittel) geschehen kann. Zu den ausgewählten Schadstoffen gibt es europaweit festgelegte Grenzwerte, die in der OGewV angegeben sind und nicht überschritten werden dürfen, zum Beispiel gilt für Nitrat ein Grenzwert von 50 mg/l, den es zu einzuhalten gilt.
Für den chemischen Zustand gibt es zwei Klassen. Wenn die Normen eingehalten sind, ist der Zustand „gut“, anderenfalls „nicht gut“. Der „gute chemische Zustand“ als Umweltziel gilt sowohl für „natürliche“ als auch für „künstliche“ und „erheblich veränderte“ Gewässer. Bei Überschreitungen müssen Maßnahmen ergriffen werden, um eine Verringerung der Belastung zu erreichen.
Bewertung der allgemeinen Lebensbedingungen im See
Es werden Kriterien untersucht und bewertet, welche die allgemeine Lebensraumsituation der Seen beleuchten. Dazu gehören Temperatur, pH-Wert, Leitfähigkeit, Sauerstoffgehalt, Salzgehalt, Kalkgehalt und organischer Gehalt des Seewassers im Tiefenprofil, d.h. in mehreren Proben von der Wasseroberfläche bis einen Meter über dem Seegrund. Die Darstellung der Messgrößen dieser Kriterien im Tiefenprofil und im saisonalen Verlauf eines Untersuchungsjahres sowie langjährig über aggregierte Kennwerte (zum Beispiel volumengewichtete Jahresmittel) erlauben Fachleuten die Einschätzung des Schichtungsverhaltens und der Lebensbedingungen in einem See.
Bewertung des Trophiestatus
Die Bewertung der Seenqualität hat sich in den letzten Jahrzehnten auf das Problem der übermäßigen Belastung mit den Pflanzennährstoffen Phosphor und Stickstoff – der sogenannten Eutrophierung – konzentriert. Entsprechend wurden und werden auch weiterhin chemisch-physikalische Untersuchungen durchgeführt, im Hinblick auf die Entwicklung der Nährstoffkonzentrationen von P, N und Si, sowie deren Wirkungen auf
- die Entwicklung und Konzentration von Phytoplanktonalgen und Chlorophyll a
- Zooplanktonorganismen
- Makrophyten und benthische (substratgebundene) Algen
- die Durchsichtigkeit bzw. Klarheit des Seewassers (Sichttiefe)
- die Sauerstoffverhältnisse in den verschiedenen Schichten des Seewasserkörpers.
Zur Bewertung der Trophiesituation werden besonders herangezogen
- die langjährige Entwicklung der Phosphorkonzentration, der Chlorophyll a -Konzentration und der Sichttiefe
- die langjährige Entwicklung des Phytoplanktons (Trophie-Index und Biomasse)
- die langjährige Entwicklung des Zooplanktons (Arten und Anzahlen) auch für Aussagen zum Fischfraßdruck
- die langjährige Entwicklung der Makrophyten und des Phytobenthos (Diatomeen) mit Hilfe von Trophie-Indizes (Makrophytenindex, Diatomeenindex)
Zusammenfassend wurde vor der Bewertung des ökologischen und chemischen Zustands nach WRRL eine Einstufung der Seen in die Stufen oligotroph, mesotroph, eutroph und polytroph vorgenommen, was mit geringer, mäßiger, starker und übermäßiger Nährstoffbelastung korrespondiert. Teilweise geht diese Bewertung des Trophiestatus von Seen in die aktuelle Bewertung des ökologischen Zustands nach WRRL mit ein. Der Trophiestatus in Seen hängt aber ganz wesentlich auch mit dem Nahrungsnetz zusammen, in dem das Zooplankton und die Fische eine entscheidende Rolle spielen. Leider ist das Zooplankton nicht in der Bewertung nach WRRL vorgesehen, wodurch dieser Aspekt bei dieser Bewertung wegfällt. Im bayerischen Seenmonitoring wird daher das Zooplankton wie bisher untersucht, um auch weiterhin eine Trophiebewertung und deren Interpretation zu ermöglichen.