Graureiher
Nach Jahrzehnten der Verfolgung, die zu gravierenden Rückgängen der einheimischen Brutpopulation führte, wurde der Graureiher Mitte der 1960iger Jahre ganzjährig geschont. Das Ende der Bejagung ließ die Brutbestände ansteigen. Nach kurzer Zeit wurden aber auch wieder Klagen über Schäden in der Fischereiwirtschaft laut, und die Schonung wurde 1983 vom Landwirtschaftsministerium teilweise wieder aufgehoben. Die Wiedereinführung der Graureiher-Bejagung veranlasste das Landwirtschafts- und das Umweltministerium, im Abstand von einigen Jahren ein Monitoring des Brutbestandes durchführen zu lassen, um einer eventuellen Gefährdung der Art rechtzeitig entgegen wirken zu können. Landesweite Erfassungen wurden zunächst vom früheren Institut für Vogelkunde in Garmisch-Partenkirchen koordiniert, 1995 und 2001 und zuletzt 2008 vom Bayerischen Landesamt für Umwelt im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz organisiert. Die Erfassungen erfolgten großteils durch ehrenamtlich tätige Vogelkundler und Mitglieder der Naturschutzverbände.
Zahlen, Fakten, Trends
Die Population des Graureihers wird europaweit auf 210.000 bis 290.000 und deutschlandweit auf 28.000 Paare geschätzt. In Bayern brüteten bei der letzten Zählung 2008 etwa 2.100 Brutpaare. Die Größe des Durchzugs- und Überwinterungsbestandes ist nicht bekannt, beträgt aber ein Mehrfaches davon.
Die Erfassung des Brutbestandes erfolgt meistens durch Zählung der Nester in den Kolonien vom Boden aus. Sie sind mit wenigen Ausnahmen gut kartierbar. Einige Zähldaten im Allgäu oder im Maingebiet bei Schweinfurt wurden durch Überfliegung der Kolonien ermittelt. Zu ihnen zählt auch die größte Kolonie Bayerns bei Dippach im Landkreis Haßberge.
Landesweite Erhebungen gibt es aus den Jahren 1979, 1983, 1986, 1989, 1995, 2001 und 2008. Trends in der Brutbestandsentwicklung sind damit ausreichend erkennbar. Die großen Zeitabstände zwischen den Erhebungen erschweren jedoch Aussagen zur kurzfristigen Entwicklung. Nach einer Bestandszunahme bis zur Zählung 1995 (2.664 BP) lässt sich in den beiden darauffolgenden Zählungen ein Rückgang feststellen. Gegenüber der Erhebung von 1995 nahm die Zahl der Brutpaare bis 2001 um 287 auf 2.377 und bis 2008 noch einmal um 249 auf 2.128 ab. Das entspricht einem Rückgang des Brutbestandes in Bayern zwischen 1995 und 2008 um 20%. Die Anzahl der Kolonien zeigt bayernweit mit 163 fast Gleichstand im Vergleich zur vorherigen Erfassung 2001.
In Oberbayern nahm die Brutpaarzahl von 428 (1995) auf 323 (2008) um 24,5% ab. In Niederbayern (37,5%) und Unterfranken (38,9%) ist dieser Abnahmetrend noch wesentlich deutlicher ausgeprägt. In der Oberpfalz (13,3%) ging die Brutpaarzahl mäßig zurück, von 211 auf 183. Eine umgekehrte Situation liegt in Oberfranken, Mittelfranken und Schwaben vor. Dort gab es gegenüber 1995 Zuwächse an Brutpaaren um 73,4%, 8,5% und 1,5%. Die rückläufige Entwicklung fand vornehmlich in den Großkolonien statt.
Die Entwicklung der Brutpaarzahlen und der Anzahl der Kolonien in den Regierungsbezirken verläuft nicht immer gleichförmig. In Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz und Oberfranken fallen bzw. steigen die Koloniezahlen mit den Brutpaarzahlen. Dort brüteten also weniger Reiher in weniger Kolonien oder umgekehrt (Schwaben). In Schwaben und Mittelfranken schwankt die Zahl der Kolonien stärker als die Zahl der Brutpaare. In Unterfranken sieht die Situation komplett anders aus: Dort gingen die Brutpaarzahlen stark zurück, während eine leichte Zunahme an Kolonien erfolgte.
Von insgesamt 404 Kolonien, die seit Beginn der Erhebungen in Bayern registriert worden sind, waren 241 ohne Brutpaare im Jahr 2008. Ob es sich um kurzfristige Ausfallerscheinungen oder um erloschene Kolonien handelt, wurde bis 2008 nicht weiter untersucht. Daher wurden 163 Kolonien gewertet. Die Mehrheit dieser gewerteten Kolonien ist klein und umfasst bis zu maximal 20 Brutpaare. Das entspricht 83,4%. 14,1% der gewerteten Kolonien enthalten 21 bis 50 Brutpaare. Nur vier Kolonien haben mehr als 50 Brutpaare (2,5%). Die größte Kolonie mit 243 bsesetzten Nestern befindet sich im Maintal bei Dippach im Landkreis Haßberge zum Zeitpunkz der letzten Erfassung 2008.
Standort | 1995 | 2001 | 2008 |
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Oberbayern | 428 | 332 | 323 |
Niederbayern | 400 | 357 | 250 |
Oberpfalz | 211 | 203 | 183 |
Oberfranken | 94 | 92 | 163 |
Mittelfranken | 176 | 181 | 191 |
Unterfranken | 884 | 705 | 540 |
Schwaben | 471 | 507 | 478 |
Bayern | 2.664 | 2.377 | 2.128 |
Standort | 1995 | 2001 | 2008 |
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Oberbayern | 37 | 37 | 34 |
Niederbayern | 24 | 22 | 21 |
Oberpfalz | 17 | 15 | 11 |
Oberfranken | 4 | 5 | 10 |
Mittelfranken | 7 | 12 | 11 |
Unterfranken | 23 | 24 | 25 |
Schwaben | 38 | 55 | 51 |
Bayern | 150 | 170 | 163 |
Die große Mehrheit der bayerischen Graureiherkolonien ist klein, das heißt, sie umfassen weniger als 20 Brutpaare (83,5%). 14% der Kolonien enthalten zwischen 21 und 50 Brutpaare und nur vier Kolonien enthalten mehr als 50 Paare (2,4%). Die größte Kolonie befindet sich im Maintal bei Dippach (Lkr. Haßberge, 243 Nester).
Graureiher und Jagd
Der Graureiher ist in ganz Deutschland mit Ausnahme Bayerns ganzjährig geschont. Schäden in der Teichwirtschaft, die dem Graureiher zugeschrieben wurden, waren der Auslöser für die teilweise Aufhebung der Schonzeit in Bayern 1983. Die Jagdzeit dauert seither von 16. September bis 31 Oktober. Die Jagd darf nur an geschlossenen Gewässern (Fischteiche, Gewässer ohne Anschluss an ein natürliches Gewässer wie zum Beispiel Weiher oder Baggerseen) und deren Umkreis (200 m) ausgeführt werden. Mit dieser Regelung sollte insbesondere die Jagd an Fischteichen bzw. zum Zweck der Fischzucht oder –haltung künstlich hergestellten bzw. angelegten Gewässern ermöglicht werden. Außerhalb dieses Bereichs sind Graureiher also nach wie vor geschützt.
Die Abschusszahlen haben seit 1983 ständig zugenommen. In den Jahren 2008 bis 2010 wurden im Mittel 5.210 Graureiher pro Jahr in Bayern geschossen. Es werden also deutlich mehr Vögel erlegt als in Bayern brüten. Die meisten Abschüsse finden in Landkreisen mit zahlreichen Fischteichen statt (Ansbach, Erlangen-Höchstadt, Neustadt/Aisch, Schwandorf, Tirschenreuth). Aber mit den Landkreisen Erding, Pfaffenhofen und Rosenheim befinden sich auch drei Landkreise mit unterdurchschnittlicher Ausstattung an Teichanlagen unter den zehn Landkreisen mit den höchsten Abschusszahlen.
Standort | 2008 | 2009 | 2010 |
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Oberbayern | 834 | 913 | 896 |
Niederbayern | 291 | 356 | 307 |
Oberpfalz | 1.159 | 1.376 | 1.334 |
Oberfranken | 671 | 688 | 767 |
Mittelfranken | 1.426 | 1.574 | 1.593 |
Unterfranken | 119 | 117 | 123 |
Schwaben | 314 | 400 | 370 |
Bayern | 4.814 | 5.424 | 5.390 |
Die Abschüsse betreffen also zu einem erheblichen Anteil nicht die bayerischen Brutvögel, vermutlich vor allem Vögel aus Tschechien, Norddeutschland, Ostdeutschland und Polen. Sie befinden sich auf dem Durchzug und rasten an bayerischen Gewässern. Der Rückgang der bayerischen Brutpopulation seit 1995 deutet aber daraufhin, dass die Jagd auch einen Einfluss auf die heimischen Brutvögel ausübt. Möglicherweise kommt es nach der Brutzeit zu regionalen Wanderungen innerhalb Bayerns, zum Beispiel von den Kolonien Unterfrankens in das mittelfränkische Teichgebiet, wo dann auch einheimische Brutvögel erlegt werden.