Bachforellensterben in Bayern
In den Ober-und Mittelläufen präalpiner Flüsse Bayerns wird in den Spätsommermonaten seit vielen Jahren ein Massensterben von Bachforellen beobachtet. Erkrankte Fische zeigen eine deutliche Schwarzfärbung und halten sich in Rand- bzw. Uferbereichen der Flüsse auf. Neben massiven pathologischen Veränderungen innerer Organe (Leber, Milz, Niere, Kiemen und Magendarmtrakt), wurden auch Veränderungen des Blutbildes nachgewiesen. Ausschließlich Bachforellen erkranken, andere Fischspezies innerhalb betroffener Gewässern zeigen keinerlei Symptome. Die Schwarzfärbung führte zur Etablierung des Begriffes "Proliferative Darkening Syndrome of Brown Trout" für dieses Krankheitsbild.
Am LfU wurden über viele Jahre umfangreiche Expositionsversuche zur Aufklärung der Ursache für das Bachforellensterben durchgeführt. Dabei hat das LfU im Rahmen verschiedener interdisziplinärer Projekte mit renommierten nationalen internationalen Partnern zusammengearbeitet:
Projektbeteiligte
- Landesfischereiverband Bayern e.V. (LFV)
- Friedrich-Löffler-Institut, Bundesforschungsanstalt für Viruserkrankungen der Tiere (FLI)
- Technische Universität München, Wissenschaftszentrum Weihenstephan (Konsortium: Lehrstuhl für Zoologie, Lehrstuhl für Tierhygiene, Lehrstuhl für Physiologie)
- Centre for Environment, Fisheries & Aquaculture Science, Weymouth, UK
Nachdem die bis dato erhobenen Untersuchungsergebnisse wiesen auf ein Infektionsgeschehen mit einem noch nicht näher definierten Erreger.
Um den Krankheitserreger zu ermitteln, werden gegenwärtig im Auftrag des Landesfischereiverband Bayern e.V. am Lehrstuhl für Virologie der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität mikrobiologische Untersuchungen durchgeführt.
Expositionsversuche 2000 bis 2006
Im Rahmen eines Verbundprojektes zwischen dem Bayerischen Landesamt für Umwelt und dem Landesfischereiverband Bayern e.V. wurden im Zeitraum 2002-2006 umfangreiche Untersuchungen zur Klärung der Ursache des Bachforellensterbens durchgeführt. Als Schwerpunkt der breit angelegten Untersuchungen wurde, stellvertretend für andere betroffene Gewässer, die Iller bei Kempten ausgewählt. Unter der Leitung des Bayerischen Landesamtes für Umwelt wurde bei Kempten/Graben auf dem Gelände der Allgäuer Überlandwerke (AÜW) eine Versuchsanlage installiert. Das Wasserwirtschaftsamt Kempten und der Fischereiverein Kempten wirkten aktiv in dem Projekt mit. Im Rahmen dieser Versuche wurden Bachforellen dem Flusswasser entweder nativ oder nach Vorschaltung unterschiedlicher Filtersysteme
- unbehandeltes Illerwasser
- Vorschaltung eines Basalt/Quarzsandfilters zur Entfernung von Schwebstoffen
- Vorschaltung eines Aktivkohlefilters zur Elimination chemischer Schadstoffe
- UV-Bestrahlung zur Abtötung infektiöser Erreger
- Vorschaltung aller genannten Filtereinrichtungen
ausgesetzt.
Durch die bisherigen Untersuchungen konnte das mögliche Spektrum an Ursachen für das Bachforellensterben deutlich eingegrenzt werden. Als Ursache für das Phänomen auszuschließen sind demnach:
- Physikalisch-chemische Parameter (zum Beispiel klimatische Einflüsse)
- Umweltschädliche Chemikalien
- Einleitungen nicht ausreichend geklärter Abwässer
- hormonell wirksame Umweltchemikalien
Durch die Filterversuche an der Iller wurde gezeigt, dass ausschließlich eine UV Bestrahlung des Illerwassers ein Bachforellensterben im Spätsommer verhindern kann. Ein infektiöses Geschehen wird somit als Ursache immer wahrscheinlicher. Zur Abklärung einer viralen oder bakteriellen Genese, wurde das Friedrich-Loeffler-Institut in den Jahren 2005 und 2006 (FLI; ehemals Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere) mit der Durchführung virologischer, bakteriologischer und immunologischer Untersuchungen beauftragt. Es wurden sogenannte Infektionsversuche durchgeführt, in welchen gesunde Bachforellen nach Kontakt mit Organmaterial verendeter Individuen am Bachforellensterben erkrankten. Eine Übertragbarkeit scheint möglich, ein eindeutige Erregernachweis konnte jedoch nicht erbracht werden.
Expositionsversuch 2008
Das flächenmäßige Auftreten des Bachforellensterbens wurde im Jahr 2008 an verschiedenen Standorten untersucht. Im Oberlauf der Iller wurde im Rahmen von Fischerbestandserhebungen ein intakter Bachforellenbestand ermittelt, welcher sich ab ca. Flkm.131 (Höhe Blaichach) deutlich reduzierte. Versuche an mehreren Abschnitten des Oberlaufs sollten die Regionen eingrenzen, die vom Bachforellensterben betroffen waren. An folgenden Standorten wurden zwischen Mai und Oktober 2008 insgesamt fast 1.500 Bachforellen dem Flusswasser ausgesetzt:
- Sulzberg/Graben bei Kempten, Flkm. 108,5
- Thanners, Flkm. 123,5
- Blaichach Süd, Flkm. 134
- Rubi, Flkm. 146.
Am Hauptstandort in Sulzberg/Graben wurden auf dem Gelände der Allgäuer Überlandwerke (AÜW) Fische in sieben Langstromrinnen gehalten, die von Illerwasser durchströmt wurden. Daneben wurden an allen vier Standorten Fische in mit Illerwasser gespeisten, z.T. in Containern installierten Aquarien, gehalten. Über Online-Messsonden wurden chemisch-physikalische Wasserwerte wie z.B. Temperatur, pH, Sauerstoffgehalt, Leitfähigkeit und Trübung kontinuierlich protokolliert. Zudem wurden Tag und Nacht Daten zum Verhalten der Fische über WebCams aufgezeichnet.
Weitere Versuchsansätze zur Erfassung der minimalen Expositionsdauer, zum Ausschluss infektiöser Erkrankungen sowie zur Übertragbarkeit auf Hybriden wie z.B. Tigerforellen komplettierten die Studie. Im Herbst wurden die Tiere der verschiedenen Versuchsstationen im Hinblick auf das Auftreten der für das Bachforellensterben typischen Symptomatik tiermedizinisch untersucht. In Kooperation mit der TUM, Wissenschaftszentrum Weihenstephan, sollte zudem ein innovativer Weg zur Ursachenerkennung begangen werden. So sollten Expressionsanalysen auf der Basis der Immunantwort des Wirtes zwischen dem Vorliegen einer Infektionskrankheit und dem Einfluss anderer exogener Einflussfaktoren wie z.B. Schadstoffen differenzieren.
Expositionsversuche 2009
Im Jahr 2009 wurde ein weiterer Expositionsversuch an der Iller durchgeführt. Bachforellen und Regenbogenforellen wurden im Bypass in mit Illerwasser durchströmten Langstromrinnen exponiert. Die Expositionszeiten betrugen 2 bis 5 Wochen. Nach Abschluss der Exposition wurden die Fische in erwärmtem oder gekühltem Quellwasser bis zum Eintreten erster Symptome gehalten. Die Erwärmung des Quellwassers diente zur Simulation sommerlicher Temperaturen des Illerwassers. Zusätzlich wurden Infektionsversuche unternommen, indem Kontrollgruppen mit Iller-exponierten Bach-und Regenbogenforellen in einem Aquarium vergesellschaftet wurden. Überlebende Bachforellen des Expositionsversuches von 2008 wurden erneut dem Illerwasser ausgesetzt.
Tiere, welche für zwei Wochen dem Illerwasser ausgesetzt wurden, wiesen keine Krankheitssymptome auf. Hingegen trat eine 100% Mortalität bei allen Gruppen nach fünfwöchiger Exposition auf. Unterschiedliche zeitliche Verläufe konnten in erwärmtem bzw. gekühltem Quellwasser festgestellt werden. Durch eine Kühlung des Quellwassers wurde der Krankheitsverlauf um etwa vier Wochen verzögert - das erwartete Sterben setzte erst Anfang Oktober ein. Eine Übertragung des Krankheitsbildes durch gemeinsame Haltung von exponierten Tieren und Kontrollgruppen fand nicht statt. Überlebende Individuen des Jahres 2008 zeigten eine relative Immunität. Rund 35 % der Tiere überlebten die erneute Exposition ohne Ausbildung von Krankheitssymptomen.
Weiterführende Informationen
Links
- Proliferative Kidney Disease and Proliferative Darkening Syndrome are Linked with Brown Trout ( Salmo trutta fario) Mortalities in the Pre-Alpine Isar River
- Piscine Orthoreovirus 3 Is Not the Causative Pathogen of Proliferative Darkening Syndrome (PDS) of Brown Trout ( Salmo trutta fario)