Persistente organische Schadstoffe (POP)

Einleitung

Prinzipiell kann jedes organische Molekül (d.h. kohlenstoff- und wasserstoffhaltige Substanzen) in der Umwelt vollständig zu den sehr stabilen Endprodukten Kohlendioxid und Wasser abgebaut werden. Dieser Abbau erfolgt durch (Mikro)organismen und/oder nicht biotische Umwelteinflüsse (zum Beispiel Sonnenlicht). Allerdings gibt es zahlreiche organische Substanzen, die nur sehr langsam abgebaut werden, also sehr stabil sind und in der Umwelt Jahrzehnte bis Jahrhunderte oder gar Jahrtausende verbleiben können. Dazu gehören zahlreiche vom Menschen synthetisierte Chemikalien, aber auch manche Substanzen die in der Natur zum Beispiel bei Waldbränden gebildet werden. Solche Stoffe werden als persistent bezeichnet bzw. persistente organische Schadstoffe genannt. Im Englischen heißen sie persistent organic pollutants oder kurz POP. Die Bezeichnungen Schadstoff oder pollutant sagen zunächst nichts über die Giftigkeit der betreffenden Substanz aus, sondern beschreiben dass die Substanz unbeabsichtigt und unerwünscht fernab ihres eigentlichen Verwendungsortes in der Umwelt auftritt und verbleibt.

Problematische Eigenschaften

Der Eintrag von persistenten organischen Schadstoffen in die Umwelt ist ein irreversibler Vorgang da diese Substanzen nicht mehr aus der Umwelt zurückgeholt werden können. Viele dieser POP können aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften über weite Strecken auf atmospärischem Wege transportiert werden, entweder als Gase oder gebunden an feine und feinste Staubpartikel, und sich so global von den Tropen bis zu den Polen ausbreiten. Diese Substanzen sind zwar schwer flüchtig, aufgrund ihrer meist geringen Wasserlöslichkeiten zeigen sie dennoch eine gewisse Tendenz aus Wasseroberflächen oder feuchten Böden in die Atmosphäre überzutreten. Dies ist besonders bei den hohen Temperaturen der Tropen und Subtropen bzw. in den Sommermonaten auch in gemäßigten Breiten möglich. In den kühlen Klimazonen wiederum ist die Tendenz zur Deposition größer als die zur Verflüchtigung, d.h. diese persistenten Stoffe lagern sich, insbesondere mit dem Niederschlag, aus der Luft auf Wasser-, Boden- und Pflanzenoberflächen ab. In Hochgebirgsregionen wie den Alpen ist aufgrund der niedrigen Temperaturen und hohen Niederschläge die atmosphärische Deposition von POP trotz oft geringer Konzentrationen in der Luft vergleichsweise hoch. Das LfU war bereits an zwei Forschungsvorhaben zum atmosphärischen Eintrag von POP im bayerischen Alpenraum beteiligt.

Außer dem atmospärischem Eintrag gelangen POP häufig durch Abwässer und Oberflächenabschwemmungen direkt in Gewässer. Sie zeigen dort meist eine ausgeprägte Tendenz zur Adsorption an Schwebstoffen und reichern sich dadurch in Sedimenten an.
Viele POP besitzen die unangenehme Eigenschaft sich in Lebewesen stark anzureichern, was als Bioakkumulation bezeichnet wird. Das bedeutet, dass in einem Organismus (zum Beispiel Plankton oder Gras) im Gleichgewichtszustand eine (deutlich) höhere Konzentration einer Substanz erreicht wird als im umgebenden Medium (Wasser oder Luft). Bioakkumulierende Substanzen sind gegenüber einer Verstoffwechslung außerordentlich stabil, werden daher aus dem Organismus nur sehr langsam ausgeschieden und reichern sich aufgrund ihrer meist guten Fettlöslichkeit vorwiegend im Fettgewebe und fettreichen Organen stark an. Trotz sehr geringer Gehalte in der Umwelt können POP in Lebewesen zu so hohen Konzentrationen kumulieren, dass schädliche Effekte eintreten oder wahrscheinlich sind. Aktuell finden Untersuchungen zum atmosphärischen Eintrag von POP und zur Bioakkumulation in verschiedenen Nahrungsketten im bayerischen Alpenraum im Projekt PureAlps statt.

Internationale POP-Konvention

Aufgrund der problematischen Eigenschaften von POP trat im Mai 2004 eine internationale Konvention in Kraft mit dem Ziel, unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips die menschliche Gesundheit und die Umwelt weltweit vor persistenten organischen Schadstoffen zu schützen. Die Substanzliste dieser Stockholm-Konvention umfasste zunächst zwölf organische Chlorchemikalien: Neben den polychlorierten Biphenylen (PCB), chlorierten Dioxinen und Furanen (PCDD/PCDF) und Hexachlorbenzol (HCB) sind es Organochlorinsektizide, die in Entwicklungsländern z.T. bis vor kurzem noch eingesetzt wurden. Für DDT sieht die POP-Konvention zur Malariabekämpfung weiterhin eine eingeschränkte Verwendung vor. Neben der hohen politischen Bedeutung eines weltweiten verbindlichen Abkommens ist die Konvention vor allem wegen der global auf etwa 500.000 t geschätzten Alt- und Lagerbestände an Pestiziden wichtig. Die Konvention umfasst auch die unbeabsichtigte Bildung und Freisetzung von PCDD/PCDF, PCB und HCB bei Verbrennungs- und thermischen Prozessen.

Die POP-Konvention ist ein dynamisches Instrument und sieht vor, weitere Schadstoffe in das Abkommen aufzunehmen. Hierzu wurden wissenschaftliche Kriterien, u.a. umweltrelevante physikalisch-chemische Substanzeigenschaften, festgelegt. Nach diesen Kriterien wurden 2009 neun weitere Chemikalien in die Konvention aufgenommen: Tetra- und Penta- sowie Hexa- und Heptabromdiphenylether (Hauptbestandteile der als Flammschutzmittel jahrzehntelang verwendeten technischen Penta- bzw. Octabromdiphenylether), Hexabrombiphenyl (Flammschutzmittel hauptsächlich in den 1970er Jahren), gamma-Hexachlorcyclohexan (Insektizid Lindan), alpha- und beta-Hexachlorcyclohexan (hohe Anteile im technischen Lindan), Pentachlorbenzol (verschiedene Verwendungen, auch Nebenprodukt bei Verbrennungsprozessen), Chlordecon (Insektizid) sowie Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) und ihre Salze. 2011 wurde das Insektizid Endosulfan und im Mai 2013 das Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD oder HBCDD) in die POP-Konvention aufgenommen. 2015 wurden Polychlorierte Naphthaline (PCN), Hexachlorbutadien (HCBD) und das Biozid Pentachlorphenol (PCP) inkl. seiner Salze und Ester aufgenommen. 2017 wurden die kurzkettigen Chlorparaffine (Weichmacher und Flammschutzmittel) und das Flammschutzmittel Decabromdiphenylether; 2019 das Insektizid Dicofol und Perfluoroctansäure (PFOA) in die Stockholm-Konvention aufgenommen.

Neue analytische Methoden

Das LfU etablierte von 2008 bis 2010 in einem Projekt die Analytik von sechs weiteren polybromierten Flammschutzmitteln, die als (potenziell) persistent in der Umwelt gelten, und analysierte diese Stoffe zusammen mit den polybromierten Diphenylethern (PBDE) und dem HBCD in verschiedenen festen Umweltmedien. Der Bericht "Medienübergreifende Umweltanalytik verschiedener persistenter poybromierter Flammschutzmittel" steht unten zum Herunterladen zur Verfügung.

2011 bis 2012 wurde im Projekt "Umweltanalytik von Emerging Pollutants – Methodenentwicklung und atmosphärischer Eintrag" die Luftbelastung im städtischen Hintergrund mit diesen und weiteren Flammschutzmitteln untersucht. 2010 bis 2013 wurde im Projekt "Untersuchungen zur Akkumulation verschiedener persistenter Schadstoffe in terrestrischen Wildtieren" die Belastung von in unterschiedlichen bayerischen Waldgebieten lebenden Wildtieren mit verschiedenen POP und Schwermetallen analysiert.

2014 wurde für die Bestimmung unpolarer bromierter organischer Substanzen eine GC-MS/MS-Methode etabliert, die eine Verbesserung hinsichtlich Spezifität und Empfindlichkeit bringt.

Mit dem Projekt Nachweis besorgniserregender Chemikalien in der Umwelt ging das LfU einen Schritt weiter und erstellte nach umfangreicher Auswertung der verfügbaren Literatur eine Liste mit 81 prioritären Stoffen, die das Potenzial zur Persistenz, Bioakkumulation und Freisetzung in die Umwelt aufweisen: 14 bromierte Flammschutzmittel, 12 UV-Stabilisatoren, 17 Methylsiloxane, 7 Kohlenwasserstoffe, 13 per- und polyfluorierten Chemikalien, 9 Weichmacher/Antioxidantien und 9 weitere Stoffe ohne Substanzklassifizierung. Für die bromierten Flammschutzmittel und UV-Stabilisatoren wurde mit der Methodenentwicklung und dem Nachweis in festen Umweltmedien begonnen.

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