Naturschutzrelevante Gutachten in Bayern

Landesbund für Vogelschutz in Bayern e. V. LBV
2024

Monitoring häufiger Brutvögel in Bayern von 2006 bis 2021 Methoden, Analysen und Bestandsentwicklungen

Unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag von: Bayerisches Landesamt für Umwelt, 94 Seiten, Augsburg
Landkreise: Bayern
Artengruppe:
Vögel
Stichwörter:
Monitorings häufiger Brutvögel, Langstreckenzieher, Vögel der Agrarlandschaft, Waldvögel, Standvögel, Kurzstreckenzieher
Landkreis(e):
Bayern
Auftraggeber:
Bayerisches Landesamt für Umwelt

Zusammenfassung

Dieser Bericht fasst die Ergebnisse des Monitorings häufiger Brutvögel MhB in Bayern von 2006 bis 2021 zusammen. Für diesen Zeitraum lassen sich für 58 häufige Brutvogelarten statistisch belastbare Populationstrends ableiten. Insbesondere Vögel der Agrarlandschaft und Langstreckenzieher nehmen in ihren Beständen ab. Positive Trends zeigen sich insbesondere bei Habitat- und Nahrungsgeneralisten sowie bei Waldvögeln, die an Alt- und Totholz gebunden sind. Für Bayern zeichnen sich mithilfe der Datenanalyse TRIM der MhB-Daten folgende Trends ab: 30 der häufigen Arten nehmen moderat oder stark zu, 14 haben einen stabilen Trend, eine Art Mehlschwalbe ist als unsicher eingestuft, und 13 Arten nehmen moderat oder stark ab. Für dieselben Arten liegen auch Bewertungen ihrer deutschlandweiten Trends aus demselben Zeitraum vor: 24 nehmen zu, 22 Arten sind stabil und zwölf nehmen moderat ab. Zunächst sehen die Ergebnisse für diese Gruppe häufiger Arten in Bayern erfreulich aus. Allerdings handelt es sich in diesem Bericht um die Darstellung der kurzfristigen Trends zwischen 2006 und 2021. Viele Bestandseinbrüche vollzogen sich bereits im 20. Jahrhundert und werden in den aktuellen Trendkurven nicht abgebildet. Die in diesem Bericht vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass die Bestandstrends der bayerischen Arten im Großen und Ganzen mit den deutschland- oder gar europaweiten Trends vergleichbar sind. Vögel der Agrarlandschaft sind mehr als andere Gilden von starken Populationsrückgängen betroffen. Die Populationen insektenfressender Standvögel oder Teilzieher sind größtenteils stabiler oder entwickeln sich öfter positiv, wohingegen die Populationen von Körnerfressern tendenziell eher abnehmen. Je weiter Vögel im Winter migrieren, umso stärker nehmen ihre Populationen in der Regel ab. Je spezialisierter Vögel in ihrer Nahrungs- und Habitatwahl sind, desto stärker sinken die Bestände. Auch die klimatischen Faktoren beeinflussen die Populationstrends: An Kälte angepasste Arten nehmen eher ab, Wärme liebende Arten nehmen eher zu. Der Rückgang der Agrarvögel und Körnerfresser lässt sich vor allem auf die Intensivierung und Monotonisierung der Landwirtschaft zurückführen, die zu vermehrtem Düngemittel- und Pestizideinsatz führt. Es bleibt zu hoffen, dass die Novellierung des Bayerischen Naturschutzgesetzes nach dem Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen“ und das Begleitgesetz insbesondere bei diesen Arten zu einer Umkehr negativer Trends führen wird. Auch auf europäischer Ebene zeigen Zugvögel ähnliche Trends: Zwischen 1980 und 2016 nahmen die Bestände von Langstreckenziehern ab, wohingegen die Bestände der Kurzstreckenzieher im Durchschnitt stabil blieben. Die beiden bedeutendsten Faktoren, die diese Populationstrends in Modellierungen erklären, sind die Eignung des Klimas in den Brutgebieten und die Veränderung der Landnutzung in den Überwinterungsgebieten Howard et al. 2020. In Afrika, insbesondere in der Sahelzone, vollziehen sich tiefgreifende Änderungen der dortigen Kultur- und Naturlandschaften, die sich negativ auf Langstreckenzieher auswirken. Das Klima in den Brutgebieten erklärt die Populations-trends von Kurzstreckenziehern besser als die von Langstreckenziehern. Dies kann auch dadurch be-dingt sein, dass sich die klimatischen Verhältnisse in den Brutgebieten auch in den häufig nicht allzu weit entfernten Überwinterungsgebieten widerspiegeln: Kurzstreckenzieher profitieren wie Standvögel von den durch den Klimawandel bedingten wärmeren Wintern. Langstreckenzieher sind mehr als Kurzstreckenzieher und Standvögel an unterschiedlichen Orten ver-schiedenen Gefährdungsursachen ausgesetzt. Langstreckenzieher erleiden häufig Verluste auf ihren Zugwegen Verfolgung, Jagd, Wetterereignisse und auch die energetischen Kosten des langen Zuges können sich auf ihr Überleben auswirken. Obwohl für Langstreckenzieher gezeigt wurde, dass ihre Ankunftszeit nicht mehr mit dem Zeitpunkt höchster Insekten- bzw. Nahrungsverfügbarkeit zu-sammenfällt Both et al. 2006, scheint dies bei einigen Arten nicht der ausschlaggebende Faktor für Populationsrückgänge zu sein Mallord et al. 2017, Nater et al. 2023. Durch höhere Überlebensraten und größere Fitness von Kurzstreckenziehern und Standvögeln kann der Konkurrenzdruck in den Brutgebieten sich verstärkt negativ auf Langstreckenzieher auswirken Lemoine Böhning-Gaese 2003. Während Standvögel von milderen Wintern profitieren könnten und auch ihren Brutbeginn an die immer früher beginnende Vegetationsperiode anpassen können, können Zugvögel bei weitem nicht so flexibel reagieren Both et al. 2006, Schmaljohann Both 2017. Einige Arten profitieren von höheren Durchschnittstemperaturen in der Brutzeit, die sich positiv auf ihren Bruterfolg auswirken können, z. B. Mönchsgrasmücke und Dorngrasmücke Eglington et al. 2015. Andere, bisher nicht häufige Arten wie der Bienenfresser, profitieren ebenfalls von der Klimaerwärmung und vergrößern ihre Brutareale und Bestände Bastian et al. 2013. Insbesondere kälteangepasste Alpenvögel wie Alpenschneehuhn oder Alpenbraunelle werden in Zukunft wahrscheinlich aufgrund des Klimawandels in immer höhere Lagen und damit auf kleinere Flächen zurückgedrängt – und eventuell vollständig aus Bayern verschwinden Brambilla et al. 2022. Einige der in diesem Bericht aufgeführten Arten werden bejagt oder illegal verfolgt, sowohl in Deutsch-land als auch auf ihren Zugwegen und in ihren Überwinterungsgebieten Brochet et al. 2016. Dies ist insbesondere problematisch, wenn der Erhaltungszustand der Arten schlecht ist oder die Jagd aus naturschutzfachlicher Sicht abzulehnen ist. Positiv hervorzuheben sind die überwiegend positiven Trends der waldbewohnenden Arten, welche wahrscheinlich mit dem in Bayern in den letzten Jahrzehnten gestiegenen Erntealter der Wälder zusammen hängen. Es gibt wieder mehr alte Bäume und auch Totholz. Das kommt z. B. Spechten zu-gute und in der Folge anderen in Höhlen brütenden Arten z. B. Hohltaube. Derzeit vollziehen sich in manchen Regionen Bayerns durch den Klimawandel bedingte tiefgreifende Veränderungen des Waldbildes, indem Fichtenwälder aufgrund von Trockenheit und Borkenkäferfraß zum Teil großflächig absterben. Dies betrifft die überwiegend an Nadelwald gebundenen Arten und wird künftig zu weiteren Veränderungen der Artengemeinschaften und Häufigkeitsverhältnisse der waldgebundenen Arten führen.

Erstellt am: 24.07.2024

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