Erschütterungen

Im Immissionsschutz werden Schwingungen von festen Körpern im Frequenzbereich von 1 Hertz bis 80 Hertz als Erschütterungen bezeichnet. Abhängig von der Schwingungsamplitude und der Frequezzusammensetzung können durch Erschütterungen Menschen belästigt aber auch gesundheitlich beeinträchtigt, empfindliche Anlagen gestört oder Gebäude beschädigt werden.

Erschütterungen gelten als schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von §3 Abs. 1 BImSchG, wenn Sie nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Das BImSchG nennt in §3 Abs. 2 u.a. Erschütterungen explizit als Beispiel für Immissionen im Sinne dieses Gesetztes.

Von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) wurden Hinweise zur Messung, Beurteilung und Verminderung von Erschütterungsimmissionen herausgegeben. Auf deren Grundlage können nachfolgende Normen als antizipierte Sachverständigengutachten zur Konkretisierung des Begriffs der schädlichen Umwelteinwirkung herangezogen werden.

Normen

  • DIN 4150 Teil 2: "Erschütterungen im Bauwesen – Teil 2: Einwirkungen auf Menschen in Gebäuden"; Stand: Juni 1999
  • DIN 4150 Teil 3: "Erschütterungen im Bauwesen – Teil 3: Einwirkungen auf bauliche Anlagen"; Stand: Dezember 2016
  • DIN 45669 – 1: "Messung von Schwingungsimmissionen - Teil 1: Schwingungsmesser - Anforderungen und Prüfungen"; Stand September 2019
  • DIN 45669-2: "Messung von Schwingungsimmissionen - Teil 2: Messverfahren"; Stand: Juni 2005

Quellen

Ausgelöst werden Erschütterungen durch physikalische Ereignisse. Es gibt sowohl natürliche als auch künstliche Quellen

  • Natürliche Quellen:
    Erdbebenereignisse, Lawinen- und Murenabgänge oder natürliche Setzungen im Untergrund
  • Künstliche Quellen:
    Schwerlast- und Schienenverkehr, Sprengungen, Baumaschinen und Industrie-/Gewerbeprozesse (Stanzen, Hammer- und Sägewerke u.a.)

Erschütterungen messen und beurteilen

Messgrößen

Gemessen wird die Schwinggeschwindigkeit: v(t) in den Richtungen x, y (horizontal) und z (vertikal). Für die Beurteilung der Erschütterungseinwirkungen auf Menschen erfolgt eine Frequenzbewertung der Schwinggeschwindigkeit über eine Filterfunktion nach DIN 45669-1. Der Effektivwert des in Echtzeit frequenzbewerteten Signals KBF(t) wird mit aufgezeichnet.

Bei der Ermittlung von KBF – bewerteten Größen liegen die messtechnisch bedingte Unsicherheiten erfahrungsgemäß bei 15 %.

Beurteilungsgrößen

  • KBFmax – Maximal bewertete Schwingstärke:
    Maximaler Effektivwert der frequenzbewerteten Schwinggeschwindigkeit KBF(t) in der horizontalen und vertikalen Schwingungsebene, der während des jeweiligen Messabschnittes (einmalig oder wiederholt) auftritt und der zu untersuchenden Ursache zuzuordnen ist.
  • KBFTi – Taktmaximalwert:
    Die Messzeit wird in Takte von je T = 30 s eingeteilt. Jedem dieser Takte wird der darin erreichte Maximalwert der bewerteten Schwingstärke KBF(t) zugeordnet (Index i entspricht der Taktnummer). Takte mit einem Maximalwert von KB < 0,1 werden mit dem Wert 0 belegt.
  • KBFTr – Beurteilungs-Schwingstärke:
    Über die Beurteilungszeit (Tag bzw. Nacht) ermittelter Taktmaximal-Effektivwert unter Berücksichtigung eines Gewichtsfaktors für Einwirkungen, die in den Ruhezeiten auftreten.
  • vmax – Maximale Schwinggeschwindigkeit:
    Betragsmaximalwert der Schwinggeschwindigkeit innerhalb eines Messabschnittes

Beurteilung der Einwirkung auf Menschen

Gemäß dem Beurteilungsverfahren nach DIN 4150 Teil 2 ist zunächst der im Beurteilungszeitraum (Tag / Nacht) auftretende KBFmax mit den entsprechenden Au und Ao – Angaben der Tabelle 1 und 2 zu vergleichen. Ist der Wert kleiner oder gleich dem Au so ist die Norm eingehalten. Bei einem KBFmax, der größer als der Ao – Wert ist, gilt die Anforderung der Norm als nicht eingehalten. Liegt der KBFmax zwischen Au und Ao so ist im nächsten Schritt, zur Einhaltung der Norm, zu prüfen, ob der KBFTr den entsprechenden Anhaltswert Ar einhält.

Tabelle 1: Anhaltwerte nach DIN 4150 Teil 2 im Beurteilungszeitraum: TAG
Zeile Einwirkungsort Au Ao Ar
1 Industriegebiet GI 0,4 6 0,2
2 Gewerbegebiet GE 0,3 6 0,15
3 Mischgebiet MI, Dorfgebiet MD, Kerngebiet MK 0,2 5 0,1
4 Wohngebiet WR, WA 0,15 3 0,07
5 Krankenhaus, Kurgebiet SO 0,1 3 0,05
Tabelle 2: Anhaltwerte nach DIN 4150 Teil 2 im Beurteilungszeitraum: NACHT
Zeile Einwirkungsort Au Ao Ar
1 Industriegebiet GI 0,3 0,6 0,15
2 Gewerbegebiet GE 0,2 0,4 0,1
3 Mischgebiet MI, Dorfgebiet MD, Kerngebiet MK 0,15 0,3 0,07
4 Wohngebiet WR, WA 0,1 0,2 0,05
5 Krankenhaus, Kurgebiet SO 0,1 0,15 0,05

Für selten auftretende kurzzeitige Erschütterungen und Erschütterungen die vom Verkehr verursacht werden, gelten höhere Anhaltwerte. Auch die Beurteilung von Erschütterungseinwirkungen durch Baumaßnahmen erfolgt nach eigenen Anhaltswerten.

Beurteilung der Einwirkung auf Bauwerke

Zur Beurteilung der Erschütterungseinwirkungen auf bauliche Anlagen werden die maximalen Schwinggeschwindigkeiten mit den Anhaltswerten der DIN 4150 – Teil 3 verglichen. Dabei unterscheidet die DIN 4150 – Teil 3 zwischen kurzzeitigen Erschütterungen und Dauererschütterungen.

Einwirkungen durch kurzzeitige Erschütterungen

Bei kurzzeitigen, vertikalen Deckenschwingungen bis zu 20 mm/s am Ort der größten Schwinggeschwindigkeit sind im Allgemeinen keine Schäden zu erwarten. Bei Bauten nach den Tabellen 3 und 4, Zeile 3 kann zur Verhinderung leichter Schäden der Anhaltswert abgemindert werden.

Tabelle 3: Anhaltswerte für im Gebäude auftretende maximale Schwinggeschwindigkeiten bei kurzzeitigen Erschütterungen am Fundament nach DIN 4150 Teil 3
Zeile Gebäudeart vmax [mm/s] im Bereich 1-10 Hz vmax [mm/s] im Bereich 10-50 Hz vmax [mm/s] im Bereich 50-100 Hz
1 Gewerbe- und Industriebauten 20 20-40 40-50
2 Wohngebäude 5 5-15 15-20
3 Besonders erschütterungsempfindliche und erhaltenswerte Bauten (zum Beispiel denkmalgeschützt) 3 3-8 8-10
Tabelle 4: Anhaltswerte für im Gebäude auftretende maximale horizontale Schwinggeschwindigkeiten bei kurzzeitigen Erschütterungen im Bereich der Geschoßdecken nach DIN 4150 Teil 3
Zeile Gebäudeart vmax [mm/s] für horizontale Erschütterungen der Geschossdecke im gesamten Frequenzbereich
1 Gewerbe- und Industriebauten 40
2 Wohngebäude 15
3 Besonders erschütterungsempfindliche und erhaltenswerte Bauten (zum Beispiel denkmalgeschützt) 8

Einwirkungen durch Dauererschütterungen

Vertikale Dauererschütterungen der Geschossdecke bis zu 10 mm/s führen erfahrungsgemäß in Gebäuden nach Tabelle 5 Zeile 1 und 2 nicht zu Schäden. Für Gebäude nach Zeile 3 können keine Anhaltswerte angegeben werden.

Tabelle 5: Anhaltswerte für im Gebäude auftretende maximal Schwinggeschwindigkeiten bei Dauererschütterungen nach DIN 4150 Teil 3
Zeile Gebäudeart vmax [mm/s] für horizontale Erschütterungen der obersten Deckenebene im gesamten Frequenzbereich
1 Gewerbe- und Industriebauten 10
2 Wohngebäude 5
3 Besonders erschütterungsempfindliche und erhaltenswerte Bauten (zum Beispiel denkmalgeschützt) 2,5

Weitere Anhaltswerte

Für die Beurteilung von massiven Bauteilen und unterirdischen Bauwerken sowie erdverlegten Rohrleitungen gibt die DIN 4150 Teil 3 ergänzende maximal zulässige Anhaltswerte an.

Minderungsmaßnahmen

Als Maßnahmen zur Minderungen von unzulässigen Schwingerschütterungen gibt es verschieden Ansatzpunkte:

Maßnahmen an der Erschütterungsquelle

Generell sind Maßnahmen am Emissionsort vorzuziehen, da sie dann das gesamte Umfeld vor unerwünschten Schwingungseinwirkungen schützen. Beispielhaft und abhängig von der Quelle sind folgende Maßnahmen zu erwähnen:

  • Auswuchten der Anlage
  • Massenausgleich vorsehen oder verbessern
  • Drehzahl-/Frequenzänderung bei Resonanzerscheinungen
  • Schwingungsisolierte Aufstellung

Maßnahmen auf dem Übertragungsweg

Erschütterungen breiten sich im Untergrund in Form von Wellen aus, die an Materialübergängen unterschiedlich reflektiert und gebrochen werden. Durch den Einbau von massiven Materialien oder offenen Schlitzen kann die Schwingungsausbreitung beeinflusst werden.

Maßnahmen am Immissionsort

Sollten keine Maßnahmen am Immissionsort oder dem Ausbreitungsweg möglich sein oder nicht ausreichen, kann auch die Möglichkeit der Schwingungsisolierung des Immissionsortes geprüft werden.

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