PRESSEMITTEILUNG
Natur: Nr. 35 / Montag, 23. September 2024
Immaterielles Kulturerbe Mittel- und Niederwälder sind ein Hotspot der Biodiversität
Fachtagung informierte über wertvolle historische Waldbewirtschaftungsform
+++ Von 20. bis 22. September trafen sich auf Einladung des Biodiversitätszentrums Rhön (BioZ) im Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) und der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Fortwirtschaft (LWF) im fränkischen Bad Windsheim über 100 Interessierte aus Praxis, Forschung und Verwaltung zur Fachtagung „Mittel- und Niederwälder gemeinsam erhalten“. Mittel- und Niederwälder sind heute eine große Besonderheit bei der Waldbewirtschaftung: Sie vereinen Holznutzung und Erhalt eines kulturhistorischen Erbes, sind aber gleichzeitig auch Hotspots der Biodiversität. Die teilnehmenden Akteure tauschten sich zum derzeitigen Wissensstand in Deutschland aus. Zahlreiche Vorträge thematisierten die geschichtliche Dimension, die Bedeutung der Mittel- und Niederwälder als Rohstoffquelle, ihre Rolle beim Artenschutz und ihre Fähigkeit, sich an den Klimawandel anzupassen. Exkursionen in die Wälder der Umgebung boten Einblicke in die Praxis.
Mittel- und Niederwälder sind ein kulturhistorisches, immer noch lebendiges Relikt vergangener Zeiten. Noch um 1800 machten sie etwa zwei Drittel aller Waldflächen in Deutschland aus, heute beträgt ihr Anteil weniger als ein Prozent. Mit etwa 5.300 von rund 12.500 Hektar liegen die meisten noch aktiv bewirtschafteten Mittel- und Niederwälder in Bayern, vor allem in Franken. Insbesondere im Kooperations-Projekt „Lichte Wälder in Franken“ versuchen das BioZ Rhön und die LWF diese historische Form der Waldbewirtschaftung für die Zukunft zu erhalten. „Naturschutz geht nur gemeinsam. Unsere Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer sind als Partner im Waldnaturschutz unverzichtbar. Mit dem Vertragsnaturschutzprogramm Wald werden wertvolle freiwillige Leistungen honoriert, die für den Natur- und Artenschutz in nichtstaatlichen Wäldern erbracht werden“, sagte Dr. Richard Fackler, Vizepräsident des LfU, bei der Tagung. Für den Präsidenten der LWF, Dr. Peter Pröbstle, sind Mittelwälder ein Paradebeispiel dafür, dass durch gezielte Bewirtschaftungsmaßnahmen artenreiche Waldlebensräume geschaffen und erhalten werden können. „Besonderen Respekt verdienen die Waldbesitzer, die sich dieser pflegeintensiven Bewirtschaftungsform annehmen. Sie sichern damit nicht nur die Rohstoffversorgung und bewahren ein Kulturgut. Vielmehr schaffen sie auch artenreiche Waldlebensräume als Lebensgrundlage für kommende Generationen“. +++
Besonders ist, wie Mittel- und Niederwälder bewirtschaftet werden: Der Wald ist in einzelne Parzellen unterteilt. In regelmäßigen Abständen, meist jährlich, wird das Holz auf einer dieser Parzellen eingeschlagen, in anderen Worten, es wird ‚auf den Stock gesetzt‘. Dabei bleibt nur der Baumstumpf übrig, der anschließend wieder austreibt und neues Holz produzieren kann. Im Mittelwald werden im Gegensatz zum Niederwald einige Stämme erst nach mehreren Jahrzehnten gefällt und als Stammholz genutzt. Die Bewirtschaftung erfolgt oft nach historischen und ortsspezifischen Regelwerken und gilt deshalb als bewahrenswert. Aus diesem Grund wurden die Mittel- und Niederwälder des Steigerwalds und angrenzender Regionen auch in das Bundesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
„Diese Form der Bewirtschaftung ist kein Kahlschlag“, betonte Dr. Sebastian Vogel vom Biodiversitätszentrum Rhön. Im Gegenteil: Durch die spezifische Bewirtschaftungsweise entsteht ein Mosaik an unterschiedlich dicht bewachsenen Waldflächen und verschiedensten Lebensräumen. Davon profitieren vor allem licht- und wärmebedürftige Arten wie der Maivogel, ein seltener Schmetterling. Auch der imposante Hirschkäfer, findet sich hier. „In Mittel- und Niederwäldern gibt es besonders viele gefährdete Arten, die andernorts nur noch selten vorkommen“, so Vogel. „Mittel- und Niederwälder gehören zu den artenreichsten Lebensräumen Bayerns. Nur durch eine aktive Bewirtschaftung können sie erhalten werden.“
Wie diese besonderen Wälder erhalten werden können, diskutierten die aus verschiedenen Bundesländern stammenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer intensiv während der Exkursionen, bei denen ein lebendiger Eindruck von Mittel- und Niederwaldbewirtschaftung gewonnen werden konnte. Mit welchen Baumarten ist der Mittelwald am besten für die Klimakrise gewappnet? Wie funktionieren die unterschiedlichen Rechtsformen und wie werden die Förderprogramme in den verschiedenen Bundesländern angewandt? – zu diesen Fragen will man auch künftig im Austausch bleiben.
Weitere Informationen:
https://www.lfu.bayern.de/natur/bdz_rhoen/waelder_franken/index.htm
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