- Startseite >>
- Natur >>
- saP >>
- Arteninformationen >>
- Säugetiere >>
- Sicista betulina
Waldbirkenmaus (Sicista betulina)
Rote Liste Bayern: | Stark gefährdet |
Rote Liste Deutschland: | Stark gefährdet |
Erhaltungszustand Kontinental: | Unbekannt |
Erhaltungszustand Alpin: | Unbekannt |
Verbreitung und Bestandssituation
Ostdeutschland, Tschechien, Österreich, Skandinavien bis Sibirien.
Die Birkenmaus stellt bei uns ein "Eiszeitrelikt" dar. Wegen der Präferenz für kontinental getöntes, boreales Klima wird einerseits die Bergwaldzone der europäischen Mittelgebirge (Karpaten, Beskiden, Gesenke, Tatra, Slowakisches Erzgebirge, Bayerisch-Böhmischer Wald, Gratzner Bergland, Ostalpen, Kaukasus, Altai und Sajan) besiedelt, andererseits gibt es eine nordosteuropäische Tieflandpopulation (u. a. Bialowieza).
Verbreitung und Bestand in Bayern sind unzureichend bekannt. Von der Art gibt es aus der Zeit vor dem Jahr 2000 nur elf ASK-Nachweise. Gezielte Nachsuchen im Jahr 2019 im Oberallgäu (Raum Kempten) waren erfolglos. Im Bereich des Fellhorns bei Oberstdorf wurden im Jahr 2021 auf einer Höhe von 1500 HNH insgesamt 5 Waldbirkenmäuse nachgewiesen. Weitere Untersuchungen im Zuge des Monitorings nach der FFH-Richtlinie im Hinteren Bayerischen Wald bei Altreichenau und Bischofsreut ergaben Nachweise in den Jahren 2013 bis 2017. Die jüngste Untersuchung hier ergab den Nachweis von 7 Waldbirkenmäusen im Jahr 2020.
Die Untersuchungen deuten somit darauf hin, dass die Waldbirkenmaus in Bayern nur in diesen zwei klar umgrenzten Gebieten vorkommt.
Lebensraum und Lebensweise
Birkenmäuse bevorzugen offene, gestörte Stellen im Wald (Windbrüche, im Stadium der Sukzession befindliche Stellen), lichte Feuchtwälder oder Waldränder, z. B. an der Waldgrenze. Im Bayerischen Wald besiedelt sie bevorzugt Moore und anmoorige Wiesen.
Sie ist darüber hinaus auch an Blockhalden mit Quellaustritten, kleinen Tümpeln, einmähdigen Wiesen und Almen zu finden. Geschlossene Wälder werden meist nur zur Überwinterung aufgesucht.
Hable & Spitzenberger (1989) beschreiben die dichteste Birkenmauskonzentration Österreichs am Südabfall der Wölzer Tauern, im Bereich von Almen, Zwergstrauchheiden und alpinen Rasen, in die auch kleine sumpfige Stellen eingebettet sein können, zwischen der anthropogen weit herabgedrückten oberen Baumgrenze und der Gipfelregion. Die Birkenmaus sucht dort vor allem Flächen auf, die durch starken Viehtritt und durch Frosteinwirkung entstanden sind und sogenannte "Gangsteigeln" (parallel verlaufende Furchen) aufweisen. In diesen Mulden herrscht ein Kleinklima, in dem die Luft- und Bodenfeuchtigkeit wesentlich höher sind als auf den kleineren Kuppen. Diese Mulden garantieren auch eine sichere Schneebedeckung in dem sonst sehr windausgesetzten Gelände.
Die dämmerungs- und nachtaktiven Birkenmäuse ernähren sich von Insekten, Baumfrüchten, Beeren und Samen. Das Nest aus Gras und dünnen wird an Ästen oder in der hohen Vegetation befestigt.
Birkenmäuse halten 6-8 Monate Winterschlaf, vermutlich in Erdhöhlen oder ähnlichen Hohlräumen. Tagsüber oder bei ungünstiger Witterung verfallen die Tiere in einen Lethargiezustand, um Energie zu sparen. Österreichische Birkenmäuse sind von Mai bis September (Oktober) aktiv, die Würfe werden offenbar 1-2 Monate später als im östlichen Tiefland geboren (Hable & Spitzenberger 1989). Birkenmäuse werden nach dem ersten Winterschlaf geschlechtsreif und gebären jeden Sommer nach einer Tragezeit von ca. 3-4 Wochen nur einen Wurf mit 2-7 Jungen. Insgesamt werden sie nur wenige Jahre alt.
Gefährdungen und Beeinträchtigungen
- Beeinträchtigung der Habitate, vor allem durch Entwässerung und Nutzungsintensivierung
Mögliche Vermeidungs-, Minimierungs- und CEF-Maßnahmen
Keine bekannt; jeder Fundort bzw. Nachweis in Bayern ist angesichts der Seltenheit hochgradig schützenswert.
Sonstige Hinweise
Hable & Spitzenberger (1989) nehmen an, dass die ab dem Boreal einsetzende dichte Fichtenbewaldung der Ostalpen die Birkenmaus in die Region subalpiner Matten und Wiesen über der Baumgrenze bzw. offene Standorte (z. B. Moore) in der montanen Höhenstufe verdrängt hat.
Neufunde müssen unbedingt durch eindeutige Fotografien oder (falls Totfunde) durch Abgabe des Tiers, Schädels etc. an die Zoologische Staatssammlung München verifiziert werden. Darüber hinaus sollten detaillierte Angaben zur Struktur und Umgebung des Fundorts gemacht werden.
Der Einsatz von Wildkameras mit angepasstem Nahfokus hat sich in jüngster Zeit als geeignetste Nachweismethode erwiesen (LfU unveröff.).
Ergänzende Informationen
Literatur
Engleder T., E. Lego & J. PLass (2005): Aktuelles zur Birkenmaus (Sicista betulina, Pallas, 1779) in der Dreiländerregion Tschechien/Deutschland/Österreich. - Beiträge zur Naturkunde Oberösterreichs 14: 19-25.
Hable, E. & F. Spitzenberger (1989): Die Birkenmaus, Sicista betulina PALLAS, 1779 (Mammalia, Rodentia) in Österreich [Mammalia austriaca 16]. - Mitt. Abt. Zool. Landesmus. Joanneum 43: 3-22.
Pucek Z. (1982): Sicista betulina (PALLAS, 1778) - Waldbirkenmaus. - In: Niethammer, J. & F. Krapp (Hrsg.): Handbuch der Säugetiere Europas, 2/1, Nagetiere II: 516-538. - Akademische Verlagsgesellschaft, Wiesbaden.
KRAFT, R., MALEC, F., LUDING, H., STILLE, D., HOLLER, J. & MÜLLER, J. (2013): Aktuelle Nachweise der Waldbirkenmaus, Sicista betulina (Pallas, 1779) im Bayerischen Wald. Säugetierkundliche Informationen 9, 95-104.
KRAFT, R., MALEC, F., LUDING, H., STILLE, D., HOLLER, J. & MÜLLER, J. (2016): Die Waldbirkenmaus (Sicista betulina) im Bayerischen Wald - Aktuelle Nachweise und Methodentests für ein Monitoring im Rahmen der FFH-Richtlinie. Säugetierkundliche Informationen 10, 155-174.
MALEC, F., STILLE, D., KRAFT, R., MÜLLER, J. & LUDING, H. (2015): Weitere Nachweise der Waldbirkenmaus, Sicista betulina (Pallas, 1779), im Bayerischen Wald. -Säugetierkundl. Inform. 9, 429-434.
Spitzenberger F. & K. Bauer (2001): Birkenmaus Sicista betulina (PALLAS, 1779). - In: Spitzenberger F. (Bearb.): Die Säugetierfauna Österreichs. - Grüne Reihe des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft 13: 401-405.