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Mauereidechse (Podarcis muralis)
Rote Liste Bayern: | Vom Aussterben bedroht |
Rote Liste Deutschland: | Arten der Vorwarnliste |
Erhaltungszustand Kontinental: | Günstig |
Erhaltungszustand Alpin: | Ungünstig/schlecht |
Foto: Stefan Ott
Verbreitung und Bestandssituation
Die Mauereidechse kommt ausschließlich in Europa und dort vornehmlich im Mittelmeerraum vor. Das Areal reicht vom Schwarzen Meer (Rumänien und Nordwestanatolien) bis nach Mittelspanien und von Kalabrien (Süditalien) bis zur französischen Kanalküste. Die Nordgrenze verläuft wellenförmig von der Normandie über den südlichen Teil von Belgien und den Niederlanden bis nach Südwestdeutschland, umfasst die Schweiz, Österreich und den nördlichen Balkan.
Die individuenreichsten autochthonen Vorkommen In Deutschland liegen in den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Saarland und im westlichen Baden-Württemberg, und zwar in den klimabegünstigten Tallagen der Flüsse Saar, Mosel, Ahr, Nahe, Rhein und Lahn sowie in der Rheinebene und entlang des Neckars.
Nordrhein-Westfalen und Hessen werden randlich besiedelt. Das kleine bayerische Vorkommen bei Oberaudorf hat Anschluss an österreichische Populationen im oberen Inntal.
In der Fundortkarte werden alle Mauereidechsen-Nachweise angezeigt, die in Bayern je gefunden wurden. Bei der Auswertung der zugrundeliegenden Datenbanken kann jedoch nicht zwischen autochthonen und allochthonen Vorkommen unterschieden werden.
In Bayern existieren derzeit nur zwei autochthone Populationen im Inntal zwischen Kiefersfelden und Oberaudorf, alle übrigen bisher bekannten Vorkommen werden als allochthon eingestuft.
In Deutschland kommen - aufgrund verschiedener Einwanderungswege aus Südwesten und Süden - drei autochthone Unterarten vor: P. m. brongniarti (Nordeifel), P. m. merremia (südliches Rheingebiet incl. Hessen), P. m. maculiventris (Bayern). Weitere Unterarten sind aus Südeuropa eingeschleppt. Bei der Unterart P. m. maculiventris wird noch zwischen einer West- und einer Ost-Clade unterschieden.
Ihre Fähigkeit, in der Nachbarschaft des Menschen zu leben, lässt die Mauereidechse mancherorts als Kulturfolger erscheinen. Allerdings gehen die meisten deutschen Einzelvorkommen (aktuell knapp 100) auf Aussetzungen oder Einschleppen der Tiere zurück, insbesondere an Bahndämmen, in der Nähe von Gärtnereien (Baumärkten) oder Speditionen.
Lebensraum und Lebensweise
Die Mauereidechse bevorzugt südexponierte, trocken-warme, sonnige und steinige Standorte mit Vertikalstrukturen wie Erdabbrüche, Steine oder Felsen. Wichtig sind immer Schlupfwinkel in unmittelbarer Nähe der Sonnplätze.
Diese Komplexlebensräume fand die Art ursprünglich an sonnenexponierten Felsen, Abbruchkanten, Geröllhalden, fels- und steindurchsetzten Trockenrasen, lichten Steppenheidewälder oder Kiesbänken mäandrierender Flüsse. Derartige Lebensräume sind vielfach nicht mehr vorhanden, d. h. heute besiedelt die Art hauptsächlich anthropogene Lebensräume wie Geröllhalden, Steinbrüche, Kiesgruben, Ruinen, Industriebrachen, Rebberge, Wegränder, Bahndämme, Trockenmauern oder Treppenstufen.
Mauereidechse sind bei uns normalerweise von Oktober/November bis März oder Anfang April in Winterruhe; einzelne Beobachtungen aktiver Mauereidechsen sind an Schönwetterperioden auch im Winterhalbjahr möglich. Die Männchen erscheinen dann im Frühling etwa 2 Wochen vor den Weibchen. Einige Wochen danach beginnt die Paarungszeit mit heftigen Kämpfen und wilden Verfolgungsjagden zwischen den männlichen Rivalen.
Die Eiablage findet etwa einen Monat nach der Befruchtung statt. Jedes Weibchen produziert pro Jahr 2-3 Gelege, je nach Alter mit 2-10 Eiern, die sie in kleinen Höhlen am Ende eines 10-20 cm langen, selbstgegrabenen Ganges ins lockere Erdreich legt, in Mauerspalten oder unter Steine am Boden. Je nach Witterung schlüpfen die Jungtiere nach 6-11 Wochen, d. h. zwischen Ende Juli bis Anfang September. Die Tiere werden zweiten Lebensjahr geschlechtsreif und durchschnittlich 4 bis 6 Jahre, maximal 10 Jahre alt.
Die bevorzugte Körpertemperatur liegt um 33°C. Sind die bodennahen Temperaturen deutlich höher, suchen die Tiere kühlere Orte auf. Tiefere Umgebungstemperaturen versucht sie mit häufigem Sonnenbaden zu kompensieren, vorzugsweise von einem erhöhten Punkt aus oder an einer Stelle, von wo aus die nähere Umgebung überblickt werden kann. Bei Gefahr flüchten sie blitzschnell in die nächste Spalte, um kurze Zeit darauf wieder ihren Sonnenplatz einzunehmen. Während sie im Frühling und Herbst ganztägig aktiv ist, sucht man sie an heißen Sommertagen vom späten Vormittag bis in den Nachmittag hinein oft vergebens. Fällt die Temperatur unter 15° C, so sucht sie Schutz in ihrem Versteck.
Mauereidechsen sind Nahrungsopportunisten und fressen alles, was sie bekommen können, hauptsächlich Insekten, Spinnen, Asseln und Würmer, selbst eigene Jungtiere oder die anderer Eidechsenarten. Auch pflanzliche Kost (z.B. Weintrauben oder andere Früchte) wird in geringem Umfang genommen.
Ein Tier benötigt etwa 25 qm, wobei sich die Reviere verschiedener Tiere stark überlappen können.
Gefährdungen und Beeinträchtigungen
- Isolation der Einzelvorkommen / fragmentierte Populationen
- Fehlende Pflege mit zunehmender Verbuschung (bis hin zur Wiederbewaldung)
- Fugendichte Sanierungen von Mauern, z.B., von Uferbefestigungen und von Stützmauern entlang der Verkehrswege
- Freizeitnutzung (z.B. Klettertourismus)
- Biozideinsatz beim Offenhalten von Straßenbanketten und Gleisanlagen
- Beschattungen durch z.B. Lärmschutzwände entlang von Eisenbahnstrecken
Mögliche Vermeidungs-, Minimierungs- und CEF-Maßnahmen
- Freistellung von Felsen und Wandfuß
- Schaffung von geeigneten Trittsteinbiotopen zwischen den bestehenden Vorkommen, Schaffung bzw. Wiederherstellung von Strukturelementen wie Steinhaufen und Legsteinmauern in sonnigen Lagen
- Offenhalten von geeigneten Bahndämmen, Pflege an den Aktivitätszeiten orientieren
- Erstellung eines Kletterkonzepts
Zusätzlich muss eine laufende Pflege gewährleistet sein, um die geschaffenen Strukturen vor Überwucherung zu bewahren. Zum anderen dürfen die Flächen nicht regelmäßig betreten und damit gestört (oder als Abfalleimer oder Hundeklo missbraucht) werden.
Sonstige Hinweise
Allochthone Unterarten:
- Die FFH-Richtlinie und damit auch das Bundesnaturschutzgesetz unterscheiden bei der Mauereidechse für den Schutz grundsätzlich nicht zwischen Unterarten, geschützt wird die Art "Podarcis muralis". Die Zugriffs- und Störungsverbote des BNatSchG (§ 44 BNatSchG) gelten damit formal zunächst für die gesamte Art.
- Art. 12 der FFH-Richtlinie gibt den Mitgliedstaaten lediglich auf, ein Schutzsystem mittels Tötungsverboten etc. "im natürlichen Verbreitungsgebiet" der Arten zu etablieren. Im Leitfaden der EU-Kommission zur FFH-Richtlinie (dort S. 11f.) heißt es zum Begriff des natürlichen Verbreitungsgebiets, dass "Einzeltiere oder verwilderte Populationen von Tieren, die absichtlich oder unbeabsichtigt durch den Menschen an Orte gelangten, wo sie in historischer Zeit nicht von Natur aus vorkamen oder wohin sie sich in absehbarer Zeit nicht verbreitet hätten, als außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes auftretend und insofern als nicht unter die Richtlinie fallend erachtet werden" "sollten".
Bei den in Bayern vorkommenden allochthonen Populationen bzw. Unterarten kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass diese auf natürlichem Weg selbst eingewandert sind. In Betracht kommen vielmehr Aussetzung durch Menschen oder unbeabsichtigte Einschleppung mittelbar durch den Menschen z.B. durch Eisenbahnen, Speditionen oder bei Materiallieferungen an Gärtnereien oder Baumärkten.
- Mit dieser einschränkenden Auslegung fällt die nicht heimische Unterart nicht unter den Schutz der FFH-Richtlinie, die Verbote des § 44 BNatSchG gelten nicht und es sind auch keine Ausgleichsmaßnahmen erforderlich.
Ergänzende Informationen
FRANZEN, M. & SCHULTE, U. (2019): Mauereidechse Podarcis muralis (Laurenti, 1768), S. 350-355. - In: Andrä. E., Aßmann, O., Dürst, T., Hansbauer, G. & Zahn, A. (2019): Amphibien und Reptilien in Bayern. - Stuttgart, Verlag Eugen Ulmer. 783 S.
Gruschwitz, M. & W. Böhme (1986): Podarcis muralis (Laurenti, 1768) - Mauereidechse. - In: Böhme, W.: Handbuch der Reptilien und Amphibien Europas - Band 2/2 Echsen. Bd. 2(2). - Wiesbaden (AULA-Verlag) S. 155-207.
Günther, R., H. Laufer & M. Waitzmann (1996): Mauereidechse - Podarcis muralis. - In: Günther, R. [Hrsg.]: Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. - Jena [u.a.] (G. Fischer) S. 600-617.
Schulte, U. (2008): Die Mauereidechse - erfolgreich im Schlepptau des Menschen. - Zeitschrift für Feldherpetologie, Beiheft 12; 160 S.
SCHULTE, U. & FRANZEN, M. (2019): Mauereidechse - gebietsfremde Populationen Podarcis muralis (Laurenti, 1768), S. 356-366. - In: Andrä. E., Aßmann, O., Dürst, T., Hansbauer, G. & Zahn, A. (2019): Amphibien und Reptilien in Bayern. - Stuttgart, Verlag Eugen Ulmer. 783 S.
Schulte, U., B. Thiesmeier, W. Mayer & S. Schweiger (2008): Allochthone Vorkommen der Mauereidechse (Podarcis muralis) in Deutschland. - Zeitschrift für Feldherpetologie 15: 139-156; Bielefeld.
Laufer, H., M. Waitzmann & P. Zimmermann (2007): Mauereidechse, Podarcis muralis (Laurenti, 1768(. - In: Laufer, H., K. Fritz & P. Sowig (Bearb., 2007): Die Amphibien und Reptilien Baden-Württembergs: 577-596. - Ulmer.
Weitere Informationen können sie auch auf den Internetseiten www.herpetofauna.at/ und www.karch.ch finden.