- Startseite >>
- Natur >>
- saP >>
- Arteninformationen >>
- Säugetiere >>
- Felis silvestris
Wildkatze (Felis silvestris)
Rote Liste Bayern: | Stark gefährdet |
Rote Liste Deutschland: | Gefährdet |
Erhaltungszustand Kontinental: | Ungünstig/unzureichend |
Erhaltungszustand Alpin: |
Foto: Georg Pauluhn
Foto: Waltraud Lang
Verbreitung und Bestandssituation
Die Europäische Wildkatze oder Waldkatze (Felis silvestris silvestris) ist eine von drei Unterarten der Wildkatze, die insgesamt in Europa, Afrika und West-, Mittel- und Südasien vorkommt. Das Areal ist stark zersplittert und beschränkt sich in Europa nur noch auf zusammenhängende Waldgebiete. Das letzte größere Wildkatzen-Vorkommen in Mitteleuropa befindet sich im Raum Westdeutschland, Nordost-Frankreich, Luxemburg und Südost-Belgien.
In Deutschland dehnte sich der Bestand noch vor 150 Jahren von Süddeutschland bis in die Lüneburger Heide und nach Mecklenburg-Vorpommern aus. Lebensraumverlust sowie rücksichtslose Verfolgung im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts führten jedoch dazu, dass Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und auch Bayern um 1930 als völlig wildkatzenfrei galten.
Gegenwärtig existieren zwei weitgehend isolierte Schwerpunktvorkommen: Die größte Teilpopulation lebt in den bewaldeten Mittelgebirgsregionen von Rheinland-Pfalz, Saarland, Nordrhein-Westfalen und Hessen, im Anschluss an das o. g. mitteleuropäische Siedlungsgebiet. Der zweite Verbreitungsschwerpunkt liegt im Bereich der Bundesländer Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Der deutsche Gesamtbestand wird derzeit auf etwa 5 000 Tiere geschätzt, der Großteil lebt im südwestdeutschen Verbreitungsareal.
In Bayern wurde die Art durch Auswilderung von Nachzuchten aus Zoos und Tierparks - seit 1984 ca. 600 Tiere - wieder angesiedelt. Dadurch sowie durch natürliche Zuwanderung scheint die Wildkatze im Spessart, in der Rhön und in den Haßbergen wieder Fuß gefasst zu haben. Einzelfunde liegen aus dem Fichtelgebirge und aus dem Amberger Raum vor.
Lebensraum und Lebensweise
In Deutschland ist die Wildkatze meist stark an Wald gebunden. Die Art ist nicht an eine bestimmte Waldgesellschaft gebunden, sondern benötigt bestimmte Requisiten in ihrem Habitat. Bevorzugt werden naturnahe und strukturreiche, idealerweise Mischwälder mit diversen Verstecken, beispielsweise Brombeerdickichte, Wurzelteller, Windwurfflächen, große Baumhöhlen, Totholz, alte Fuchs- oder Dachsbaue. Lichte Waldstrukturen zum Sonnen erhöhen die Habitatqualität. Vereinzelt werden auch strukturreiche Offenlandbereiche besiedelt; menschliche Siedlungen werden gemieden.
Lebensräume der Wildkatze müssen ein relativ mildes Klima besitzen, da junge Wildkatzen nässeempfindlich sind und erwachsene Tiere bei zu viel Schnee keine Nahrung mehr finden. Regionen mit einer mehr als zwei Monate geschlossenen Schneedecke von über 20 cm können deshalb nur vorübergehend - im Sommer - besiedelt werden. Die optimalen Lebensräume sind Waldgebiete der planaren bis submontanen Stufe mit geringen Schneehöhen und wärmebegünstigte, bewaldete Hanglagen.
Weibchen mit Jungtieren benötigen besonders hochwertige Lebensräume: warm-trockene, ungestörte und sichere Versteckmöglichkeiten für die Jungenaufzucht und gute Nahrungsressourcen in der Nähe. Da die Katze mit ihrem Nachwuchs mehrmals das Versteck wechselt, muss ein ausreichendes Angebot vorhanden sein.
Vernetzungsstrukturen wie Hecken, eng benachbarte Gehölzgruppen oder gewässerbegleitende Vegetation sind innerhalb des Streifgebiets wichtig, dienen aber auch als Anschluss an die übrige Wildkatzenpopulation.
Wildkatzen sind ganzjährig aktiv, dabei hauptsächlich während der Dämmerung und nachts; tagsüber verstecken sie sich meist. Die Tiere sind in der Regel Einzelgänger, jedoch nicht streng reviergebunden. Streifgebiete einzelner Wildkatzen können sich überlappen und werden saisonal oft verlagert, sodass die Gesamtaktionsräume sehr groß sind; insbesondere in der Paarungszeit (Ranzzeit) zwischen Dezember und März legen die Tiere große Strecken zurück. So kann sich ein individueller Flächenbedarf von ca. 200-1.000 ha (aber auch bis 5.000 ha) ergeben.
Nach der Paarung zwischen Januar und März und einer anschließenden Tragzeit von gut zwei Monaten bringen die Katzen durchschnittlich 3 bis 4 Jungtiere (max. 8) zur Welt, welche nach etwa drei Monaten selbständig werden. Die Tiere können in Gefangenschaft über 20 Jahre alt werden.
Wildkatzen haben sich auf den Mäusefang spezialisiert. Da die Dichten von Scher-, Wald-, Feld- und Rötelmäusen an inneren und äußeren Randlinien oft besonders hoch sind, wird vor allem an Wald-Offenland-Grenzen wie Waldrändern, nahen Wiesen oder Verjüngungsflächen gejagt. Gewässerufer sind doppelt attraktiv: Hier gibt es meist viele Schermäuse, gleichzeitig ist sichere Deckung vorhanden (Wildkatzen können gut schwimmen). Andere Tiere als Kleinnager - weitere Säuger (bis Hasengröße, vereinzelt auch Spitzmäuse), Vögel (bis Entengröße), Insekten, Amphibien und Reptilien - machen weniger als 10 % der Nahrung aus, Aas wird nur ausnahmsweise gefressen, pflanzliche Nahrung spielt keine Rolle. Eine ausgewachsene Wildkatze benötigt täglich etwa 150 g Futter, was mindestens zehn Mäusen entspricht.
Gefährdungen und Beeinträchtigungen
- Hybridisierung durch Paarung mit Hauskatzen im ländlichen Raum (in Verbindung mit der Übertragung von Krankheiten)
- Individuenverluste aufgrund von
- Abschüssen infolge Verwechslung mit wildfarbenen Hauskatzen,
- Aufnahme junger Wildkatzen als vermeintlich verwaiste Hauskatzen,
- Verwendung von Totschlagfallen in Wildkatzen-Streifgebieten
- Forstschutzzäunen und anderen Drahtgeflechten,
- Verluste von ausgedehnten, störungsarmen Wäldern, in erster Linie Laub- und Laubmischwälder,
- Zerschneidung von Lebensräumen, insbesondere Straßenbau ohne Grünbrücken oder Durchlässe,
- Wander- und Ausbreitungsbarrieren (ausgeräumte Offen-/Agrarlandschaften und Siedlungsbau in der Fläche),
- Verluste von strukturierten Wald-Offenland-Übergangsbereichen (Waldmantel, Gebüsche, Säume),
- Verluste von Habitatrequisiten in Waldflächen,
- Verschlechterung des Nahrungsangebotes durch den Einsatz von Bioziden und Rodentiziden in der Forst- und Landwirtschaft,
- Störungen durch alle Formen von moderner Freizeitnutzung.
Mögliche Vermeidungs-, Minimierungs- und CEF-Maßnahmen
- Erhalt wichtiger Habitatrequisiten im Wald (ausreichender Anteil starkes, stehendes und liegendes Totholz, Kronenmaterial, Wurzelteller etc.)
- Erhalt und Entwicklung strukturreicher Waldrandbereiche und Erhalt von Sukzessionsflächen im Wald (z. B. Windwurfflächen)"
- Anlage von Wanderkorridoren durch Pflanzung von Hecken und Feldgehölzen im Offenland sowie Gestaltung reichstrukturierter Uferstreifen an Gewässern (benötigt mindestens 4-5 Jahre Vorlauf)
- Besucherlenkung in großen, geeigneten Waldgebieten - insbesondere in Schwerpunktgebieten der Jungenaufzucht
- Beachtung der Vorgaben des integrierten Pflanzenschutzes und Verzicht auf Rodentizidverwendung
- Verzicht auf den Abschuss wildfarbener Katzen im siedlungsfernen Bereich aufgrund hoher Verwechslungsgefahr
Sonstige Hinweise
Die aktuelle Verbreitung in Bayern wird aktuell (2010/2011) durch ein systematisches genetisches Monitoring durch die Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft untersucht.
Querungshilfen wie Grünbrücken oder Durchlässe - in Verbindung mit wildkatzensicheren Wildschutzzäunen - bei der Planung von linearen Infrastrukturprojekten sind keine CEF-, sondern Vermeidungsmaßnahmen.
Waldumbau und naturnahe Waldbewirtschaftung tragen langfristig zur Förderung der Wildkatze bei.
Die Wildkatze ist ein Zeiger für naturnahe, störungsarme, waldreiche Landschaften mit geringer Zerschneidung und vielfältigen bodennahen Strukturen.
Ergänzende Informationen
www.wildkatze.bayern.de (mit diversen Links und Downloads)
www.bund-naturschutz.de/wildkatze (Homepage Bund Naturschutz)
www.wildkatze.info (Projekt des BUND)
LWF-Veröffentlichung zur Wildkatze: bitte durch LWF ergänzen
"Die Wildkatze (Felis silvestris) in Thüringen". - Landschaftspflege und Naturschutz in Thüringen, Sonderheft 4 (2003); TLUG, Jena.